Wahlkampf Wahlkampf: Merkel unterwegs auf Adenauers Spuren

Leipzig/dp/dpa. - CDU-Chefin Angela Merkel hat auf ihrer eintägigen Wahlkampftour mit der Bahn für die soziale Marktwirtschaft geworben. Der Staat müsse «Hüter der Ordnung» sein, zugleich aber auch der Einzelne Freiheit zur Gestaltung bekommen, sagte Merkel am Dienstag vor gut 1500 Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz in Koblenz. Das habe die CDU immer geachtet, betonte die Bundeskanzlerin.
Koblenz war der erste Haltepunkt auf der Fahrt derCDU-Vorsitzenden mit dem Nostalgiezug «Rheingold Express» nachBerlin. Gestartet war Merkel am Morgen in Bonn. Dort hatte siezunächst auf dem Waldfriedhof von Rhöndorf einen Kranz am Grab des früheren Bundeskanzlers und CDU-Vorsitzenden Konrad Adenauerniedergelegt. Anschließend besuchte sie das ForschungsmuseumAlexander Koenig in Bonn, wo der Parlamentarische Rat am 1. September 1948 seine Arbeit am Grundgesetz aufnahm und wo Adenauer in der
Nach der Kundgebung vor dem Koblenzer Bahnhof ging es imNostalgie-Zug weiter nach Frankfurt am Main und Erfurt, wo ebenfalls Wahlkampfauftritte geplant waren. In Leipzig wollte Merkel das Zeitgeschichtliche Forum besuchen, bevor der Zug am Abend Berlin erreichen sollte. Dort sollte zum Abschluss in der CDU-Zentrale eine Foto-Installation über Adenauer eröffnet werden.
Den Wahlkampf in der Schlussphase mit einem Schuss Geschichte zu verbinden, lag im 60. Jahr der Bundesrepublik nahe. Im Sonderzug von Bonn nach Berlin stellt sich Angela Merkel am Dienstag ganz in die Tradition der Urväter der Union, auch zur Pflege ihrer Stammwählerschaft. Dass es für Schwarz-Gelb immer enger wird, kontert Merkel auch wie einst ihr Vorbild Konrad Adenauer mit der Warnung vor Experimenten. In den letzten Tagen vor der Wahl muss Merkel nach ihrem suboptimalen TV-Duell-Auftritt nun aber mehr riskieren.
Fläschchen mit «Möselchen», die Adenauer einst so liebte, werdenin den Waggons mit dem Flair der 70er und 80er Jahren an diesem Tag zwar nicht angeboten. Aber ansonsten läuft die Reise ähnlich ab, wie einst vor rund 50 Jahren, als der erste Kanzler als Wahlkämpfer durch das Land zog. Stopp des Sonderzugs. Aussteigen. Kleine Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz. Dann weiter. Nach ein paar hundert Kilometern wieder ein Halt. Erneut Kundgebung. Weiterfahrt. So geht es zunächstnach Koblenz und Frankfurt am Main. Weitere Stationen sollten Erfurt und Leipzig sein.
Nur, dass im Jahr 2009 mehr Menschen an Bord des «Rheingolds» sind - besser des «Gesellschaftswagens TEE», wie die Nostalgiebahn auf dem Bonner Bahnhof angekündigt wird. Die Idee mit dem Sonderzug hatte Adenauer übrigens auch schon aus den USA. Inzwischen ist die Amerikanisierung des Wahlkampf aber weitergegangen. So ist eine junge Unterstützertruppe vom «TeAM Angela Merkel» mit dabei. Und nicht nur vier oder fünf Journalisten, sondern rund 50.
Ob diese Tour angesichts der kritischen Wahlkampfphase gerade zumrichtigen Zeitpunkt stattfindet, fragt sich so mancher auf der Tour.Aber an diesem Dienstag jährt sich nun einmal der 60. Jahrestag derWahl Adenauers zum ersten Kanzler. Erste Stationen sind historischfolgerichtig Rhöndorf und Bonn.
Im Kreis der Familie des «Alten» legt Merkel am Morgen auf demFriedhof des Orts zunächst einen Kranz am Grab des Gründervaters derBundesrepublik nieder. Dann kommt sie ins Museum Koenig in Bonn. Dorthat der Parlamentarische Rat vor sechs Jahrzehnten das Grundgesetzgeschaffen - unter dem wachen Auge einer ausgestopften Giraffe, dieaus dem Hauptsaal der Naturkunde-Ausstellung damals nicht schnellgenug weggeräumt werden konnte.
Das große Tier blickt dort auch heute noch in die Runde. Nacheiner kurzen Begrüßung des Museumsdirektors sagt Merkel, dass sie an diesem Tag eine Reise unternehmen wolle, «wie sie Adenauer nicht machen konnte». Sie erinnert daran, dass es schließlich auch in den Osten gehen soll. Davon hätte Adenauer geträumt. Sanft leitet sie zum Wahlkampf von heute über. Sie lässt Revue passieren, dass Adenauer sich vor 60 Jahren für eine Koalition mit den Liberalen entschieden habe, obwohl es damals recht knapp gewesen sei.
Aus «Angst um die soziale Marktwirtschaft» habe er es getan,obwohl längst nicht alle aus der Union damals dafür gewesen seien, teilt die CDU-Chefin mit. Was will sie damit sagen? Dass Schwarz-Gelb auch heute in der Union nicht gerade beliebt ist oder dass Mut ein guter Kompass ist?
Auf ihren Kundgebungen warnt sie wie einst der «Alte»: «Wir können uns keine Experimente erlauben.» Das zielt wie damals auf die Sozialdemokraten. Merkel unterstellt diesen, eine große Koalition in der kommenden Legislaturperiode bei der erstbesten Gelegenheit platzen zu lassen - zugunsten von Rot-Rot-Grün. Das ist die Schlussbotschaft der Union in diesem Wahlkampf.
Schon mehrfach hat Merkel zuletzt den Mantel der Geschichte wehen lassen. Gleich nach der Sommerpause besuchte sie den immer noch angeschlagenen Alt-Kanzler Helmut Kohl in Oggersheim. Zur Erinnerung an die Öffnung des Grenzzauns vor 20 Jahren reiste sie im August nach Ungarn. Nun diese Tour. Merkel will eine gute Enkelin sein.
Doch Merkel ist durch die Umfragen nach dem Duell mit Steinmeierleicht in die Defensive geraten. Sie muss etwas tun, mehr als nur Zug fahren. An diesem Freitag geht sie überraschend vor dieBundespressekonferenz in Berlin. Sie will noch einmal Rede undAntwort stehen. Nächste Woche reist sie in die USA zum G20-Weltfinanzgipfel. Zwei Tage vor der Wahl muss sie Ergebnisse nach Hause bringen. Das liegt nicht allein in ihrer Hand. Da ist sie auch von den anderen Staats- und Regierungschefs abhängig.
