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Wahlkampf in Deutschland Wahlkampf in Deutschland: Türkische Gemeinde gegen Auftrittsverbot von Politikern

Von Markus Decker 24.04.2018, 17:24
Der türkische Ministerpräsident während eines Wahlkampfauftrittes im Februar 2014 in Berlin. Für den Wahlkampf zur türkischen Präsidentschaftswahl im Juni sind Auftritte türkischer Politiker in Deutschland verboten.
Der türkische Ministerpräsident während eines Wahlkampfauftrittes im Februar 2014 in Berlin. Für den Wahlkampf zur türkischen Präsidentschaftswahl im Juni sind Auftritte türkischer Politiker in Deutschland verboten. dpa

Berlin - Die Türkische Gemeinde in Deutschland lehnt das von der Bundesregierung verhängte Auftrittsverbot für türkische Politiker während des Parlaments- und Präsidentschaftswahlkampfes ab. Die Wahlen finden am 24. Juni statt. „Ich halte das Auftrittsverbot für türkische Politiker für falsch und finde die ganze Diskussion überflüssig“, sagte der Vorsitzende der Gemeinde, Gökay Sofuoglu, dieser Zeitung.

Sofuoglu betont Meinungsfreiheit

„Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einer Demokratie leben und Meinungsfreiheit das höchste Gebot ist.“ Wenn amerikanische und griechische Politiker hier reden dürften, „dann sollten es türkische Politiker auch tun dürfen“. Zur Demokratie gehöre umgekehrt, dass gegen entsprechende Kundgebungen dann auch protestiert werden könne.

Sofuoglu rechnet nach eigenen Worten aber nicht mit Spannungen. Das habe unter anderem mit dem muslimischen Fastenmonat Ramadan zu tun, der am 16. Mai beginne und eine eher besinnliche Zeit sei.

2017 schriller Streit über Auftritte türkischer Politiker

Im Vorfeld des türkischen Referendums über die Einführung einer Präsidialverfassung im vergangenen Jahr hatte es Auseinandersetzungen über die Auftritte türkischer Politiker in Deutschland gegeben – und wüste Beschimpfungen durch diese.

Daraufhin wurde die Rechtslage von der Bundesregierung geändert. Wahlkampfauftritte von Amtsträgern aus Nicht-EU-Staaten sind nun drei Monate vor Wahlen oder Abstimmungen in ihrem Land grundsätzlich verboten. Die Türkei ist nicht Mitglied der Europäischen Union. Das Verbot gilt damit auch für Erdogan. Die Präsidialverfassung verleiht ihm wesentlich mehr Macht.

Türken sollen auch in Deutschland wählen können

Unterdessen ist bei der Bundesregierung eine Verbalnote der türkischen Regierung eingegangen mit der Bitte, die Wahl selbst in Deutschland abhalten zu dürfen. Wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums mitteilte, werde das Bundeskriminalamt jetzt eine Gefährdungsanalyse anfertigen. Auf deren Grundlage werde entschieden.

Mit einer Genehmigung ist jedoch zu rechnen. Von den rund drei Millionen türkisch-stämmigen Bürgern in Deutschland sind 1,4 Millionen wahlberechtigte türkische Staatsbürger.

Bei der Abstimmung über das Verfassungsreferendum waren 2017 Wahllokale in 13 Städten eingerichtet worden – verteilt über das gesamte Bundesgebiet und vorrangig in den Generalkonsulaten. Von den 1,4 Millionen Wahlberechtigten haben 700.000 tatsächlich abgestimmt.

450.000 Stimmen für die Präsidialverfassung

450.000 votierten für die Präsidialverfassung und damit faktisch für Erdogan.
Das besagte Auftrittsverbot für türkische Politiker gilt, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) betonte, ausdrücklich nicht für seinen türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu, der am 29. Mai bei der Gedenkfeier zum 25. Jahrestags des Brandanschlags von Solingen in der Stadt eine Rede halten wird. Das habe mit Wahlkampf nichts zu tun, unterstrich Maas.

Solingen erwartet eine würdige Gedenkveranstaltung

Der Sprecher der Stadt, Lutz Peters, sagte dieser Zeitung, man sei „zuversichtlich“, dass Cavusoglu den Auftritt nicht für Wahlkampfzwecke nutzen werde. Bisher seien die Gedenkveranstaltungen „immer in guter Ordnung und würdig verlaufen“.

Die Stadtverwaltung wird vorab aber um den Redetext bitten, um ihn ins Deutsche übersetzen und während der Gedenkfeier als Broschüre verteilen zu können. Auf bevorstehende Auseinandersetzungen gebe es keine Hinweise, fügte Peters hinzu. Gleichwohl würden die Sicherheitsvorkehrungen vermutlich anders dimensioniert sein als sonst.

1993 starben fünf Türkinnen in Solingen

Bei dem Anschlag am 29. Mai 1993 starben fünf Frauen und Mädchen der Familie Genc. Vier rechtsradikale Männer wurden wegen Mordes verurteilt.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat am Dienstag vor einem Missbrauch des Cavusoglu-Auftritts gewarnt.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde schloss sich dem an. „Das Thema Rechtsextremismus ist zu wichtig“, sagte Sofuoglu. „Wir dürfen das nicht überschatten. Alles andere wäre auch rücksichtslos gegenüber den Opfern.“

Maas und Cavusoglu trafen sich soeben am Rande einer Veranstaltung der Vereinten Nationen in New York. Die Begegnung dauerte etwas mehr als eine halbe Stunde und wurde von deutscher Seite als „gutes Gespräch in konstruktiver Atmosphäre“ bezeichnet. Maas habe dafür geworben, „dass auf positive Signale der letzten Monate weitere konstruktive Schritte im deutsch-türkischen Verhältnis folgen“.

Erdogan kündigt Wahlkampfauftritt in Europa an

Ungefähr zeitgleich kündigte Erdogan einen Wahlkampfauftritt in Europa an. „Im Mai werden wir wieder, so Gott will, unser erstes europäisches Treffen in einer überdachten Turnhalle in einem Land in Europa abhalten“, sagte er vor Vertretern seiner Regierungspartei AKP. Um welches Land es sich handelt, verschwieg der Präsident.