Wachsende SPD-Kritik an Koch-Äußerungen
Berlin/dpa. - In der SPD wächst die Kritik an den Äußerungen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) nach dem Angriff zweier ausländischer Jugendlicher auf einen Münchner Rentner.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nannte es «unseriös», bei den Menschen den Eindruck zu erwecken, Jugendstrafrecht sei nichts anderes als «Kuschelpädagogik». Dies sei «Unfug und wird durch ständiges Wiederholen nicht richtiger», sagte sie der «Frankfurter Rundschau».
Während das Erwachsenenstrafrecht nur Geld- und Haftstrafen kenne, verfüge das Jugendstrafrecht über einen «viel differenzierteren Sanktionenkatalog, mit dem man gezielt auf den jugendlichen Täter einwirken kann». Es sei Irreführung der Bürger, zu behaupten, man müsse Jugendliche schneller in Haft nehmen, dann schrecke das vor weiteren Straftaten ab. Zypries: «Jugendliche, die Haftstrafen verbüßt haben, weisen eine höhere Rückfallquote aus, als jene, die mit anderen Sanktionen bestraft wurden.»
Koch falle «in den unsäglichen Anti-Ausländer-Wahlkampf seiner ersten Wahl zurück», kritisierte der schleswig-holsteinische SPD- Innenminister Ralf Stegner. Einen Monat vor der Landtagswahl in Hessen hatte der hessische Ministerpräsident den Überfall zum Anlass genommen, über «zu viele kriminelle junge Ausländer» in Deutschland zu klagen. Ein 17-jähriger Grieche und ein 20-jähriger Türke hatten vor einer Woche einen 76-Jährigen bespuckt und zusammengeschlagen, nachdem dieser sie in der Münchner U-Bahn gebeten hatte, nicht zu rauchen.
Koch hatte von einer verfehlten Integrationspolitik als einem Grund für Gewalt gesprochen. «Bis vor kurzem wurden in multi- kultureller Verblendung Verhaltensweisen toleriert, die inzwischen zu hochexplosiven Gruppen-Aggressionen führen können.» Bestandteil der Integration müsse der Grundsatz «Null Toleranz gegen Gewalt» sein.
In seiner Wahlkampf-Not greife Koch «wieder gnadenlos in die alte Kiste der Ausländerfeindlichkeit», sagte SPD-Bundestagsfraktionsvize Ludwig Stiegler der «Passauer Neuen Presse» (Samstag). Koch hatte 1999 mit einer Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Landtagswahl gewonnen. Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer kritisierte im selben Blatt, Koch versuche, «sein landespolitisches Scheitern durch Ausschlachtung dieses schlimmen Vorfalls zu überspielen». Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn sagte, es gebe bei Koch eine erkennbare Lust, sich derartige Themen zu suchen. «Aber Roland Koch ist seit fast neun Jahren Ministerpräsident - mit seiner Mahnung kritisiert er auch seine eigene Integrationspolitik.»