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Voßkuhle neuer Vizepräsident am Verfassungsgericht

18.04.2008, 16:30

Bremen/Berlin/dpa. - Nach monatelangem Streit haben sich Union und SPD auf einen neuen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts geeinigt. Nach dem Nein der Union zur Wahl des Würzburger Staatsrechtlers Horst Dreier akzeptierte die Union nun den Freiburger Universitätsrektor Andreas Voßkuhle.

Das Vorschlagsrecht hatte jeweils die SPD. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte am Freitagabend in Stuttgart: «Wir haben bereits in die Wege geleitet, dass die Wahl am nächsten Freitag im Bundesrat stattfinden kann.»

Voßkuhle wird Nachfolger des bisherigen Vizepräsidenten Winfried Hassemer. Die wichtige Personalfrage hatte die Koalition in den vergangenen Monaten stark belastet. Der neue SPD-Kandidat war zunächst am späten Nachmittag vom Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen genannt worden, der die Sozialdemokraten in der Frage koordiniert. Oettinger stimmte dann nach letzten Gesprächen mit anderen Ministerpräsidenten der Union zu.

Voßkuhle gilt als Überraschungskandidat. Der erst 44-jährige Professor für Staatsrecht und Rechtsphilosophie hatte erst am 1. April die Leitung seiner Universität übernommen. Im Fall seiner Wahl würde er in zwei Jahren - wie am Gericht üblich - die Nachfolge des jetzigen Gerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier antreten. Er wäre dann 46 Jahre alt. Damit würde er der jüngste Präsident in der Geschichte des Gerichts sein - noch jünger als Ernst Benda, der beim Amtsantritt 1971 knapp 47 war.

Die SPD hatte erst am Donnerstag Dreier als ihren Kandidaten zurückgezogen. In der Union waren Bedenken gegen ihn geäußert worden, weil er bei den Themen Stammzellenforschung und Folterverbot Positionen vertritt, die nicht der Mehrheitsmeinung der Staatsrechtler zur Garantie der Menschenwürde entsprechen. In der Union war der SPD auch vorgeworfen worden, den Vorschlag Dreier vorschnell veröffentlicht und damit gegen die Praxis der Richterwahl verstoßen zu haben.

Dreier hatte sich am Donnerstag erleichtert über das Ende «der ewigen Hängepartie» geäußert. Für ihn sei damit kein Lebenstraum geplatzt, da er sich selbst nicht um das Amt beworben habe, sagte der 53-Jährige der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er will Hochschullehrer bleiben. Den Streit um seine Person kritisierte er als überflüssig.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) warf der Union vor, Dreier mit «unsachlicher Kritik» verhindert zu haben. Dies führe auch dazu, «dass das seit 50 Jahren bewährte Verfahren der Verfassungsrichtersuche kaputt gemacht wird», sagte Zypries der Tageszeitung «Die Welt». Bislang sei die Kür der Richter meist durch Konsens und ein faires Miteinander der beiden großen Parteien bestimmt gewesen.

Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) kündigte an, sich bei der Entscheidung über den neuen Verfassungsrichter nicht drängen zu lassen. «Nur wenn der Kandidat überzeugend ist, kann es schnell gehen», sagte Beckstein der «Welt».

Ursprünglich war erwartet worden, dass die SPD bis zum Freitagnachmittag ihren Kandidaten offiziell vorstellt. Der Grund für die Verzögerung wurde zunächst nicht bekannt.