Von der Leyen beerbt zurückgetretenen Minister Jung
Berlin/dpa. - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nur einen Monat nach dem Start der schwarz-gelben Koalition ihr Kabinett erstmals umbilden müssen. Nach dem Rücktritt von Arbeitsminister Franz Josef Jung übernimmt die bisherige Familienministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) sein Ressort.
Jung musste am Freitag infolge des verheerenden Luftangriffs in Afghanistan seinen Hut nehmen. Als neue Familienministerin rückt die erst 32 Jahre alte CDU-Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler aus Wiesbaden ins Kabinett nach. Die Opposition sprach von einem klassischen «Fehlstart» für Schwarz-Gelb.
Die Neubesetzungen wurden erforderlich, weil Jung wegen der Vorgänge aus seiner Zeit als Verteidigungsminister nicht mehr zu halten war. Nach massivem Druck auch aus der eigenen Partei erklärte der 60-Jährige am Freitag seinen Rücktritt: «Ich übernehme damit die politische Verantwortung für die interne Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber dem Minister bezüglich der Ereignisse vom 4. September.»
Bei dem von einem deutschen Oberst befohlenen Luftschlag waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Angaben von Feldjägern aus dem Bundeswehr-Feldlager Kundus zu zivilen Opfern gleich nach dem Angriff waren im Ministerium unterschlagen worden. Am Donnerstag hatte deswegen der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Staatssekretär Peter Wichert und den Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, entlassen.
Nur wenige Stunden nach Jungs Rücktritt gab Merkel die Umbesetzungen im Kabinett bekannt. Sie lobte Jung als «geradlinigen Kollegen» und «feinen Kerl». Von der Leyen hat auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik bislang wenig Erfahrung. Bereits während der Koalitionsverhandlungen war spekuliert worden, dass die 51-Jährige aus dem Familienressort auf einen wichtigeren Posten wechseln könnte. Köhler hatte sich in der vergangenen Wahlperiode im BND- Untersuchungsausschuss des Bundestags einen Namen gemacht.
Die Opposition besteht auch nach dem Rücktritt auf der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der den Angriff und die anschließenden Informationsfluss aufklärt. Mit dem «folgerichtigen» Abgang sei noch keine der offenen Fragen beantwortet, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier dem «Hamburger Abendblatt» (Samstag). Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin erklärten ebenfalls: «Wir wollen, dass diese Vorgänge lückenlos aufgeklärt werden.»
Die Opposition will dabei auch die Rolle des amtierenden Verteidigungsministers Guttenberg ausleuchten. Der CSU-Politiker beklagte sich am Freitag nochmals darüber, ihm seien nicht alle vorhandenen Berichte gegeben worden, die er für eine persönliche Bewertung des Luftangriffs gebraucht hätte. Es gebe neben dem Feldjäger-Bericht noch neun Papiere, die ihm bei der Amtsübernahme nicht vorgelegen hätten. Er werde den Luftangriff nun neu bewerten. Anfang November hatte Guttenberg den Angriff noch als «militärisch angemessen» bezeichnet.