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Visa-Affäre Visa-Affäre: Experten haben Zweifel an ausreichenden Prüfungen

17.02.2005, 12:33
Die Mitglieder des Visa-Untersuchungsausschusses: Hellmut Königshaus (FDP, oben l), Olaf Scholz (SPD, oben M), Volker Neumann (SPD, oben r), Hans-Peter Uhl (CSU, unten l), Eckart von Klaeden (CDU, unten M) und Jerzy Montag (Grünen, unten r). (Foto: dpa)
Die Mitglieder des Visa-Untersuchungsausschusses: Hellmut Königshaus (FDP, oben l), Olaf Scholz (SPD, oben M), Volker Neumann (SPD, oben r), Hans-Peter Uhl (CSU, unten l), Eckart von Klaeden (CDU, unten M) und Jerzy Montag (Grünen, unten r). (Foto: dpa) dpa

Berlin/Kiel/dpa. - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sieht keine Veranlassung fürseine Ladung als Zeuge vor den Untersuchungsausschuss. «Ich wüsstenicht, worin der Grund dafür liegen könnte,», sagte er im NDR.Schröder erwartet durch die Schlagzeilen zur Visa-Affäre keinenegativen Auswirkungen für Rot-Grün bei der Landtagswahl inSchleswig-Holstein an diesem Sonntag. Die Menschen könnten sehr wohlunterscheiden, dass dem Außenminister «etwas angeheftet» werdensolle. Dass Fischer sein volles Vertrauen habe, stehe «außer Frage».

Richter und Sachverständige äußerten in der ersten öffentlichenSitzung des Ausschusses Zweifel an der ausreichenden Prüfung vonVisa-Anträgen vor allem an Botschaften in Osteuropa. Die Union fühltesich in ihrer Ansicht bestätigt, dass Rot-Grün mit der zeitweisenLiberalisierung der Visa-Politik gegen EU-Gesetze verstoßen habe.«Ich hätte nicht gedacht, dass die Sachverständigen unisono unsereRechtsansicht bestätigen», sagte der CDU-Obmann Eckart von Klaeden.

CDU/CSU und FDP warfen Rot-Grün eine Blockadetaktik vor. VonKlaeden kritisierte eine «Doppelstrategie». Fischer habe gesagt, erwolle möglichst früh aussagen, die Koalition verhindere dies aber.Fischer hatte die politische und persönliche Verantwortung fürmögliche Versäumnisse bei der Visa-Erteilung übernommen.

Die Ausschuss-Obleute von SPD und Grünen, Olaf Scholz und JerzyMontag, nannten einen Vernehmungstermin Mitte April verfrüht. Scholzsagte, Beweisaufnahme und Zeugenvernehmung könnten bis zurparlamentarischen Sommerpause abgeschlossen sein. Montag sagte, manwerde nicht zulassen, dass der Ausschuss zum «Kasperle-Theater» wird.«Es wird zeitnah vernommen, sobald die Akten gelesen werden.» DieUnion warf Rot-Grün vor, die Bereitstellung der Akten zu verzögern.

Von Klaeden warf der Bundesregierung vor, Missstände bei denEinreisegenehmigungen zu spät zur Kenntnis genommen zu haben. Siehätte früher handeln müssen. «Kriminelle Energie möchte ich derBundesregierung aber nicht unterstellen.» Wichtige Dokumente mitInformationen über die Missstände in Kiew aus dem Sommer 2002 seienauch an das Ministerbüro gegangen, wie entsprechende Kennzeichnungenauf den Akten bewiesen, sagte Klaeden. Der Minister habe nicht dasRecht, «sich mit Unwissen herauszureden». Die Union wirft derRegierung vor, durch liberale Visa-Vergabe massenhaft Schleusertumund Zwangsprostitution Vorschub geleistet zu haben.

Auch der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer(Grüne), dessen Visa-Erlass von März 2000 im Zentrum der Unions-Kritik steht, wird vorerst nicht vernommen. Die Opposition hatte aufeine Aussage Volmers zunächst noch im Februar gedrängt. Inzwischenrückte ein anderer Runderlass des Auswärtigen Amts vom 15. Oktober1999 in den Mittelpunkt. Damit wurden Botschaften angewiesen, beiVorlage einer Reiseschutzversicherung («Carnet de touriste») in derRegel auf die weitere Prüfung des Reisezwecks und der Finanzierung zuverzichten. Ein Ex-Beamter des Innenministeriums sagte, damit seiendie Carnets faktisch als «Ersatzvisum» akzeptiert worden. Der Erlasswurde Ende Januar 2002 aufgehoben.

Knapp ein Viertel der Bundesbürger (24 Prozent) ist einer Umfrageim Auftrag von «Focus online» zufolge der Ansicht, dass Fischer wegender Visa-Affäre zurücktreten solle. 62 Prozent der 2005 Befragtensprach sich gegen einen Rücktritt aus.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hat klar dieVerantwortung für mögliche Fehler in der Affäre um massenhaften Visa-Missbrauch übernommen. «Wenn ich Mist gebaut habe, dann stehe ichdafür gerade», sagte Fischer am Donnerstagabend zum Abschluss desschleswig-holsteinischen Landtagswahlkampfs vor mehreren hundertAnhängern in Kiel.

Fischer kritisierte scharf die Medien. «Wer glaubt, auf zweiFußballfeldern spielen zu können, der irrt», sagte er: Man könnenicht von ihm verlangen, Auskunft zu geben und - wenn er dann wie amvergangenen Montag Stellung nehme - nach Widersprüchen suchen. Dabeigebe es Versuche, ihn kaputt zu machen. «Der Untersuchungsausschussbringt die Wahrhaftigkeit», sagte er unter dem Jubel seiner Anhänger.Und diese Wahrhaftigkeit werden durch Akten belegt werden können.

Der Minister erklärte, niemand solle vergessen, dass es sich beidem Visa-Missbrauch im Vergangenes handle. «Die Dinge sind abgestelltworden.» Die Grünen sollten «selbstbewusst nach vorne schauen», sagteer mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen.

Fischer warnte vor einem außen- und wirtschaftspolitischen Schadendurch die Visa-Debatte. Die Opposition dürfe nicht «Schaden anrichtenund das Bild Deutschlands in der Welt beschädigen». Zwar müsstenMissstände beseitigt werden, Deutschland dürfe sich aber nichtabschotten.

Zahl der ausgestellten Visa in Kiew (Grafik: dpa)
Zahl der ausgestellten Visa in Kiew (Grafik: dpa)
dpa