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Videos aus Clausnitz Videos aus Clausnitz: Flüchtlingsheim-Leiter soll AfD-Mitglied sein

Von Bernhard Honnigfort 19.02.2016, 19:13
Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung demonstrieren am 15.02.2016 mit einem Schild "Jedem Volk sein Land, nicht jedem Volk ein Stück Deutschland" vor der Frauenkirche in Dresden (Sachsen).
Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung demonstrieren am 15.02.2016 mit einem Schild "Jedem Volk sein Land, nicht jedem Volk ein Stück Deutschland" vor der Frauenkirche in Dresden (Sachsen). dpa-Zentralbild

Erschütternde Bilder aus Clausnitz, einem kleinen Dorf im Osterzgebirge: Ein Bus, auf der Vorderfront steht in dicken Leuchtbuchstaben „Reisegenuss“. Innen kämpft ein kleiner Flüchtlingsjunge mit den Tränen, ein Frau presst sich offensichtlich vor Angst an ihre Sitznachbarin. Draußen vor dem Bus schreit eine hasserfüllte 100-köpfige Menschenmenge: „Wir sind das Volk“, „Verpisst euch“ und hindert die Menschen am Aussteigen.

Eine bedrohliche und abstoßende Szenerie. Zu sehen auf einem Video, das am Donnerstagabend die Ankunft des Busses mit Flüchtlingen in Clausnitz an der tschechischen Grenze zeigt und anschließend im Internet die Runde machte. Nicht auf dem Streifen sichtbar: Die Zufahrt zum Flüchtlingsheim ist mit drei Autos versperrt worden.

Der kurze Film sorgt für Entsetzen. Wieder einmal Hässliches aus Sachsen. Innenminister Markus Ulbig (CDU) reagierte erschüttert: „Bei allem Diskussionsbedarf, den es in der Flüchtlingsfrage derzeit gibt: ich finde es zutiefst beschämend, wie hier mit Menschen umgegangen wird. Anstatt wenigstens den Versuch zu unternehmen, sich in die Situation der Flüchtlinge zu versetzen, blockieren einige Leute mit plumpen Parolen den Weg von schutzsuchenden Männern, Frauen und Kindern. Das kann ich nur verurteilen.“

Der Bus war am Donnerstag gegen 19.20 Uhr in Clausnitz angekommen und von den Fremdenhassern blockiert worden. Nach Informationen des ZDF ist der Leiter der Unterkunft Mitglied der rechtspopulistischen AfD und wusste als einer von wenigen darüber Bescheid, wann der Bus eintreffen würde.

Anderthalb Stunden nach der Ankunft und nach Aufforderung der Polizei wurden die blockierenden Autos weggefahren. Gegen 22 Uhr hatten die Asylsuchenden endlich die neue Unterkunft bezogen, der Mob verließ anschließend die Szene.

Jan Böhmermann teilte das Video

Laut Polizeibericht waren knapp 30 Beamte in Clausnitz im Einsatz. Es gab 13 Anzeigen. Nun wird ermittelt wegen des des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Die Polizei erklärte anschließend: „Es ist nicht hinnehmbar für uns, was dort passiert ist. Wir haben verhindern können, dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen oder Verletzten kommt.“

Das Video war angeblich zunächst auf der Facebookseite von „Döbeln wehrt sich“ aufgetaucht und dann auch vom Fernsehmoderator Jan Böhmermann entdeckt und geteilt worden. Nachdem das Video sich immer weiter verbreitete, wurde die Facebookseite offenbar gelöscht. Hinter „Döbeln wehrt sich“ vermutet man in Dresdner Regierungskreisen rechte Neonazi-Kameradschaften, die höchstwahrscheinlich auch bei der Bus-Blockade mitgemacht haben.

Freitagnachmittag tauchte noch ein weiteres kurzes Video über die Ankunft der Flüchtlinge im Netz auf. Dort ist neben dem Hass-Geschrei der Leute vor dem Bus zu sehen, wie die Polizisten Flüchtlinge in die Unterkunft bringen.

In einem Fall greift ein Beamter einen jugendlichen Flüchtling grob im Nacken, hält ihn im Schwitzkasten und zerrt ihn aus dem Bus in das Gebäude. Offenbar hat der Junge Angst und sträubt sich, den Bus zu verlassen. Bei dem Beamten handelte es sich um einen Angehörigen der Bundespolizei, wie ein Sprecher am Freitagabend bestätigte. Nähere Angaben machte er nicht, der Vorgang müsse erst aufgeklärt werden.