Verkehr und Umwelt Verkehr und Umwelt: Fledermäuse stoppen Bau der Autobahn A44

Hessisch Lichtenau/dpa. - Dieses Mal ist es das kleine Mausohr.Ohne es zu ahnen, sorgt die nicht einmal sieben Zentimeter großeFledermaus in Hessen für erneuten politischen und juristischen Streitund verhindert eine ganze Autobahn - zumindest vorerst. Nach einerKlage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)zugunsten von «Myotis blythii» hat das Bundesverwaltungsgericht inLeipzig den Bau eines der elf Abschnitte der Autobahn A44 von Kasselnach Eisenach gestoppt. Die eigentliche Entscheidung über Bau oderNichtbau steht allerdings noch aus.
«Mir hat der Atem gestockt, als ich heute Morgen davon hörte»,sagt Jürgen Herwig. Der Bürgermeister von Hessisch Lichtenau, 20Kilometer südöstlich von Kassel, gilt als einer der eifrigstenKämpfer für die 64 Kilometer lange Autobahn. Dafür legt sich derSozialdemokrat gern mit dem BUND und notfalls auch mit der eigenenPartei an. «Wir brauchen die Autobahn. Die Gurkerei über engeSträßchen ist nicht nur gefährlich und unökologisch, sie ist schlichtauch unwürdig.»
Die Idee für den Autobahnbau durch den Werra-Meißner-Kreis istdoppelt so alt wie der Kreis selbst. Doch Projekte aus den zwanzigerJahren scheiterten erst an der Weltwirtschaftskrise, dann amWeltkrieg, an der Teilung und schließlich an den Umweltverbänden.Dort verweist man auf schützenswerte Arten, vom Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling, einem Schmetterling, über die Fledermäuse bis zum«Prächtigen Hautfarn». Menschenketten und Unterschriftenaktionenkonnten die Verbandsfunktionäre nicht zum Klageverzicht bewegen.
Als im März schließlich das Bundesverwaltungsgericht grünes Lichtfür einen der umstrittensten der elf Abschnitte gab, schien das ganzeProjekt abgesegnet. Schließlich hatten Wildbrücken, Krötentunnel undSchutzzäune das letzte «Verkehrsprojekt Deutsche Einheit» zurteuersten Autobahn der Welt gemacht. Die Straße, die einmal in einerhalben Stunde durcheilt werden soll, wird nach derzeitiger Planung1,4 Milliarden Euro kosten - das sind fast 22 000 Euro für jedenMeter. Befürworter wähnten sich auf der sicheren Seite: Jetzt steheder Autobahn nichts mehr im Wege.
Doch die Vorbehalte der Umweltverbände blieben und die derBundesrichter offenbar auch. Zwar teilten sie noch nicht die Meinung,dass die Autobahn unverzichtbare Schutzgebiete für Tiere und Pflanzenvernichte. Doch bis das geklärt ist, sollen die Bagger nicht rollen.Der Beschluss kommt zu einem pikanten Zeitpunkt. Eine Woche zuvorhatten SPD und Grüne in Wiesbaden ihren Koalitionsvertragvorgestellt, in dem nordhessische Verkehrsprojekte infrage gestelltwerden. Nun werfen CDU und FDP den Sozialdemokraten Verrat am Nordenvor, die SPD-Abgeordneten schweigen. Zu Wort gegen die «organisierteKampagne» meldete sich nur Bezirkschef Manfred Schaub: «Der Weiterbauder A 44 ist eindeutig in der Koalitionsvereinbarung enthalten.»
Da heißt es allerdings, dass nur «rechtsbeständigplanfestgestellte» Bauabschnitte «zeitnah» weitergebaut werden - unddas sind von elf gerade einmal zwei. Für die anderen gelte eineneuerliche Planung und auch die Prüfung von Alternativen. Ein Passus,der Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zur Bewertung brachte, Rot-Grün wolle die Autobahn aus ideologischen Gründen verhindern.
Auf diesen Streit hat der Sozialdemokrat und AutobahnbefürworterHerwig keine Lust: «Wer immer nächste Woche hessischerVerkehrsminister ist - er wird die selben Probleme mit der Autobahnhaben wie wir heute.» Auch das Problem Fledermäuse sei dann noch da:«Im Garten fliegen die mir immer in Scharen um die Nase, und jetzttreffe ich die vor Gericht.»