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Verhandlung Verhandlung: Streit um «Friedensgebot» des Grundgesetzes

Von Norbert Demuth 18.04.2007, 15:33

Karlsruhe/ddp. - Der Zweite Senat verhandelte am Mittwochin Karlsruhe über eine gegen die Regierung gerichtete Organklage derLinks-Fraktion, die sowohl Rechte des Bundestags wie auch das«Friedensgebot des Grundgesetzes» und das Völkerrecht verletzt sieht.Die Bundesregierung rechtfertigte die vom Bundestag gebilligteEntsendung der Aufklärungsflugzeuge mit der verändertenBedrohungslage durch den internationalen Terrorismus.

Die «Tornados» sollen den von der NATO geführten ISAF-Truppen beimAufspüren von Taliban-Kämpfern helfen. Es gehe dabei auch um dieSicherheit Deutschlands, sagte Außen-Staatssekretär ReinhardSilberberg. Mit dem Einsatz werde zudem «die Bündnisfähigkeit»Deutschlands gewahrt. Es gehe nicht nur um die Flugzeuge, sonderndarum, «wie viel außenpolitische Handlungsfähigkeit Deutschlandbehält«.

Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer sprach von einem»komplexen Rechtsproblem«. Allerdings gab er zu Bedenken, »dass esvielleicht ein Problem mit der Zulässigkeit der Klage geben könnte«,weil mit der Organklage nur konkrete Maßnahmen, die sich in denvergangenen sechs Monaten ereignet hätten, gerügt werden könnten.

Die Linksfraktion verfolgt zwei rechtliche Angriffslinien gegenden »Tornado«-Einsatz. Fraktionschef Oskar Lafontaine betonte, dasssich Deutschland an einem »völkerrechtswidrigen Krieg beteiligt«.Sein Amtskollege Gregor Gysi rügte zudem, dass die Bundesregierung aneiner »unzulässigen Fortentwicklung« des NATO-Vertrages von 1955 voneinem Verteidigungsbündnis in ein offensives »weltweitesInterventionsbündnis« mitgewirkt habe, ohne dafür die Zustimmung desBundestages eingeholt zu haben.

»Die NATO des Jahres 2007 ist nicht die NATO des Jahres 1955«,betonte Gysi. Die »veränderten militärischen Aufgaben« der NATO hätteder Bundestag in einem Zustimmungsgesetz beschließen müssen. Dies seiaber nicht geschehen. Mit dem Einsatz werde daher «das Friedensgebotdes Grundgesetzes verletzt», sagte Gysi.

Lafontaine argumentierte, die »Tornados« lieferten Fotos, die dieGrundlage für die Bombardierung auch unschuldiger Zivilistenbildeten. Denn sie würden ohne Zweifel auch für den»völkerrechtswidrigen«, US-geführten Antiterrorkampf «OperationEnduring Freedom» (OEF) verwendet, nicht nur für den ISAF-Einsatz.

Dem hielt Staatssekretär Silberberg entgegen, mit dem»Tornado«-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan bleibe die Aufgabeder NATO als »Bündnis der Friedenssicherung« weiterhin gewahrt. Damitwerde keine »andere NATO« geschaffen. Der »Tornado«-Einsatz sei »nurein praktischer Anwendungsfall des neuen Strategischen Konzepts derNATO von 1999«, in dem außerhalb des Bündnisgebietes militärischeKrisenreaktionseinsätze ermöglicht wurden.

Der Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung, RechtsprofessorGeorg Nolte, bezweifelte, ob das Verfassungsgericht hier überhaupt»eingreifen« dürfe. Das Urteil wird voraussichtlich erst in einigenWochen oder Monaten verkündet.