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Verfahren wegen Kinderpornografie Verfahren wegen Kinderpornografie: Justiz geht meist den leichten Weg

Von Mira Gajevic 27.02.2015, 07:07
Ein Aktenberg im Fall Edathy.
Ein Aktenberg im Fall Edathy. DPA Lizenz

Berlin - Sollte am kommenden Montag das Kinderporno-Verfahren gegen den Ex-SPD-Politiker Sebastian Edathy gegen die Zahlung von 4.000 Euro eingestellt werden, dann ist daran nur eines besonders: Dass es überhaupt zu einer öffentlichen Hauptverhandlung gekommen ist. Denn die meisten Verfahren wegen des Besitzes von Kinderpornografie werden still und leise mit einem Strafbefehl beendet. Der Angeklagte – zumal wenn er Ersttäter ist und die zu erwartende Strafe nicht höher als ein Jahr zur Bewährung ist - wird zu einer Geldstrafe verdonnert, der Gang vor den Richter bleibt ihm damit erspart.

Gerichte überlastet

Für die überlasteten Gerichte haben Strafbefehle den Charme, dass sie personalintensive Hauptverhandlungen überflüssig machen. Nicht wenige Staatsanwaltschaften sind inoffiziell angehalten, Hauptverhandlungen möglichst zu vermeiden, wenn es die Rechtslage zulässt.

Dass vor allem Verfahren wegen des Besitzes von Kinderpornografie mit Geldstrafen enden, hat nach Ansicht von Dagmar Freudenberg, Vorsitzende der Strafrechtskommission des Juristinnenbundes, einen einfachen Grund. „In der Regel liegt beim Vorwurf des Besitzes von Kinderpornografie eine relativ klare bis eindeutige Beweislage vor. Wenn dann keine erhebliche Freiheitsstrafe droht, ist der Strafbefehl aus prozessökonomischer Sicht das von der Justiz bevorzugte Instrument.“

Für die Gerichte ist es also vor allem eine Frage des Ressourceneinsatzes, ob es zu einer mündlichen Verhandlung kommt. „Wenn ein Kinderpornoring mit 500 Kunden auffliegt, haben Sie 500 Verfahren. Das ist mit Hauptverhandlungen kaum abzuarbeiten“, erklärt die Göttinger Staatsanwältin. Das dürfte aber nicht der einzige Grund für den verbreiteten Strafbefehl sein. So erzählt ein anderer Staatsanwalt, der seit vielen Jahren im Bereich Kinderpornografie arbeitet, dass vor allem ältere Kollegen das Delikt häufig nicht ernst nehmen.

Kein schweres Verbrechen

„Der Besitz von Kinderpornografie ist erst seit den 1990er-Jahren strafbar. Davor hieß es immer, der schaut sich ja nur Bilder an und stellt sie nicht her. Diese Einstellung hat sich inzwischen zwar geändert, aber viele ältere Staatsanwälte sehen den Besitz von Kinderpornografie auch heute noch nicht als Sexualdelikt.“ Da schon der Vorwurf Kinderpornografie existenzzerstörend sein kann, hält es der erfahrene Staatsanwalt grundsätzlich aber für vertretbar, Beschuldigten die mündliche Verhandlung zu ersparen, wenn sie denn einsichtig sind. Sobald er aber den leisesten Zweifel habe, dass die Geldauflage als Freikaufen verstanden werde, klage er an, sagt er.

Das Strafmaß für den Besitz von Kinderpornografie wurde im Zuge der Edathy-Affäre von zwei auf drei Jahre erhöht. Nach Ansicht von Jens Wagner, Sprecher des Projekts „Kein Täter werden“ der Berliner Charité, ist das allerdings immer noch zu wenig.

Die Strafe sei der Schwere des Deliktes nicht angemessen, kritisiert er, denn sie vermittle die Botschaft, dass der Besitz von Missbrauchsabbildungen kein schweres Verbrechen sei. Viele Täter wüssten, dass sie für den erstmaligen Besitz nur eine Geldstrafe befürchten müssen. Tatsächlich liegt auch das verschärfte Strafmaß für den Besitz von Kinderpornografie noch unter dem für Ladendiebstahl, für den man bis zu fünf Jahre kassieren kann.

Konfrontation mit der Tat fehlt

In der Praxis bedeutet das: Ein nicht vorbestrafter Täter, auf dessen Festplatte man Fotos von missbrauchten Jungen und Mädchen gefunden hat, hat gute Chancen, ohne Prozess mit einer Geldstrafe davonzukommen. So sehr die Justiz dadurch entlastet und manch Beschuldigtem ein peinigender Prozess erspart wird, Dagmar Freudenberg sieht dies kritisch, da so der erzieherische Effekt eines Strafprozesses entfalle. „Wir haben stattdessen ein verwaltungstechnisches Strafverfahren, das sämtliche Konfrontation mit der Tat vermeidet.“ Aus Sicht des Opferschutzes sei das falsch. „Es kann nicht Sinn von Strafverfolgung sein, dass die Täter sich nicht mit ihrem Vergehen auseinandersetzen müssen“, kritisiert sie.