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Vereinigte Arabische Emirate Vereinigte Arabische Emirate: Duell im Sandkasten

Von Rainer Wozny 28.02.2012, 18:15

Dubai/MZ. - Es gibt Worte, die kommen im Arabischen zwar vor, aber sie werden selten und ungern verwendet. Vorzugsweise ist das in den wohlhabenden Arabischen Emiraten der Fall. "Klein" gehört dazu, "billig" und "langsam". Verständlich, denn die Emirate gelten noch immer als der Teil der Erde, in dem Milch und Honig fließen. Nur ist es hier das gewinnbringende Erdöl und das billige Benzin.

Und wahrscheinlich ist es auch das Wort "Planfeststellungsverfahren", falls es dafür überhaupt eine arabische Entsprechung gibt. Die Emirate sind noch immer die Staaten, in denen sich Architekten frei von Kostenzwängen und weitgehend unbelastet von naturschutzrechtlichen Auflagen austoben können. In denen in manchen Jahren zeitweilig ein Drittel aller weltweit verfügbaren Baukräne an 100 Hochhäusern gleichzeitig arbeiteten. Ach ja, und "Krise" vielleicht noch. Krise - die haben nur die anderen, die Eurostaaten heißt es gern in Dubai. Die pulsierende Metropole lockt noch immer Investoren aus aller Welt an und saugt deren Geld auf wie die Wüste das Wasser. Um es dann irgendwann mit satten Gewinnen wieder sprudeln zu lassen. Ein Stückchen heile Welt in einem heißen Sandkasten.

Doch Dubai ist längst nicht mehr der Nabel der arabischen Welt, der es so gern war. Es hat sich einiges verändert in den vergangenen drei Jahren, und das hatte dann doch mit der Krise zu tun, von der in Dubai niemand sprechen möchte. Der Einbruch von Weltwirtschaft und Welthandel haben das Emirat heftig getroffen. Erdöl und Erdgas, auf denen sich einst der Reichtum des Emirats gründete, erbringen heute nur noch etwa sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes von etwa 28 Milliarden Dollar. Der Rest wird über Handel, Finanzgeschäfte und Tourismus erwirtschaftet. Doch den Einnahmen steht eine geschätzte Schuldenlast von 100 Milliarden Dollar gegenüber. Und so täuschen der Glanz der Fassaden und die wohl weltweit höchste Dichte von Luxusautos pro Kopf auf den ersten Blick darüber hinweg, dass sich das Emirat Ende 2009 nur mit einer 25-Milliarden-Dollar-Spritze vom Nachbarn Abu Dhabi über Wasser halten konnte. Und das war ein Kredit, kein Geschenk. Soll heißen: Dubai muss zurückzahlen.

Genau das ist das Problem. "Dubai wirtschaftet schon seit Jahren kaum noch mit eigenem Geld", erzählt Sameh Shalaby. Der ägyptische Tourismus-Manager arbeitet seit Jahren am Golf und hat den tiefen Fall des Emirats nach den fetten Jahren miterlebt. "Dubai nimmt jeden gern auf, der Geld mitbringt", sagt er. Frei von Steuern und weitgehend frei von Auflagen kann sich jeder Investor in Dubai entfalten. Doch das tun derzeit längst nicht mehr so viele. Mit dem Niedergang der Weltwirtschaft ab Ende 2008 sind auch die Immobilienpreise in Dubai um fast die Hälfte gefallen. Bestes Beispiel für den faktischen Stillstand sind die Prestigeobjekte der Palmen-Inseln. Die drei künstlich aufgeschütteten Eilande in Form einer Palme sollen neben Prachtbauten wie dem Burj al Arab (Turm der Araber) und dem 828 Meter hohen Burj Khalifa (Turm des Kalifen) Zeichen der technologischen Grenzenlosigkeit und des Wohlstandes sein. Doch nur die Jumeira Palme ist bisher fertig, die Villen darauf für Millionen-Summen verkauft. Eine zweite, Jebel Ali, dümpelt im Rohzustand und nur gespickt mit den Pfeilern der künftigen Inselstraße in den seichten Gewässern des Arabischen Golfes. Derweil nutzen zahlreiche Ausländer die Schnäppchen auf dem Wohnungsmarkt. Die in den vergangenen Jahren aus dem Boden gestampften Stadtviertel verfügen über jede Menge lukrativen Wohnraum. Und so kann man sich bereits mit 100 000 Euro eine Eigentumswohnung von 120 Quadratmetern leisten.

Der Boom der vergangenen Jahre hat billige Arbeitskräfte vor allem aus den südostasiatischen Staaten wie Indien, Pakistan oder Sri Lanka angezogen. Meist sind es die kräftigen, allerdings wenig gebildeten jungen Männer, die sich auf Baustellen und im Dienstleistungsgewerbe verdingen. Und so hat sich ein Bevölkerungsmix herausgebildet, der für europäische Verhältnisse schier unvorstellbar ist. 85 Prozent der Menschen in Dubai sind Ausländer. Wer in Dubai unterwegs ist, kommt mit dem einfachsten Englisch immer weiter. Man muss kein Arabisch sprechen können. Einheimische - sprich gebürtige Dubaier - sind selten im Straßenbild. Einzig in Führungspositionen von Regierung, Behörden und Sicherheitsorganen sind sie zu finden. Dieser Bevölkerungsmix birgt dank des relativen Wohlstandes der Ausländer derzeit wenig soziale Spannungen. Doch Dubais Emir Mohammed bin Rashid al Maktum steuert zumindest an einem Punkt gegen: Einheimische, die untereinander heiraten, bekommen 75 000 Dirham (ca.15 000 Euro) vom Staat als Geschenk.

Die schwindenden Ölreserven lassen Dubai schon seit Jahren wirtschaftlich umsteuern. Nach dem Dämpfer der jüngsten Krise wird das Tempo seit Anfang 2011 wieder angezogen. Der Wettlauf mit den anderen sechs Mitgliedsstaaten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ist längst eröffnet. Dubai konzentriert seine Kraft auf Luftverkehr und Handel. Im Jahr 2000 wurde bereits ein Viertel des Ost-West-Warenaustausches weltweit über Dubai abgewickelt. Heute schon ist der Airport Dubai der viertgrößte weltweit. "Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben nur acht Flugstunden entfernt von Dubai. Ein Drittel sogar nur vier Stunden entfernt", beschreibt Lorne Riley die zentrale Lage Dubais. Der Kanadier arbeitet seit einigen Jahren in der Dubai-Airport-Gesellschaft und hat die Entwicklung hautnah miterlebt. "Dubai International wird von 150 Airlines angesteuert. Der Airport arbeitet 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche", erklärt er. Logisch, dass dieser Umschlagrhythmus lukrativ ist. Auch deutsche Fluglinien wie die Lufthansa zieht das an. Zwei Flüge täglich von Frankfurt (Main) sowie München und die Kooperation mit der "Emirates"-Airline sollen dem Global Player ein ordentliches Stück vom Kuchen sichern. Doch Dubai International stößt an seine Kapazitätsgrenzen. "Am alten Standort ist kein Platz für eine dritte Landebahn", sagt Jürgen Marske. Der örtliche Lufthansa-Manager hofft auf den zügigen Bau des zukünftigen Flughafen Dubai Jebel Ali. Doch der existiert derzeit - abgesehen von ersten Erschließungsmaßnahmen - nur auf dem Papier. Dabei würde es Dubai gern schaffen, den Passagier-Durchsatz von 47,2 Millionen (2011) deutlich zu steigern und London Heathrow den Spitzenrang ablaufen. Noch hat der derzeitige Flughafen das Potenzial und steuert eine Passagierzahl von 60 Millionen bis 2019 an. Dafür werden weitere Abfertigungsgates gebaut und ein neues Terminal, was einzig Maschinen des Typs Airbus A380 abfertigen wird.

Dubai, das ist der Ehrgeiz von Scheich al Maktum, will es schaffen, wieder deutlicher aus dem Schatten des Nachbarn Abu Dhabi herauszutreten. Die 1971 bei Gründung vertraglich vereinbarte Rangordnung in den Vereinigten Emiraten hat den Herrscher Abu Dhabi nämlich auf ewig zum Präsidenten der Emirate festgeschrieben, während sich Dubai mit dem Amt des Regierungschefs bescheiden muss. Abu Dhabi genießt die geologische Begünstigung, über gewaltige Rohstoffreserven zu verfügen. Die geschätzten 97 Milliarden Barrel (je 159 Liter) Erdöl sowie gute sechs Billionen Kubikmeter Erdgas stehen für gigantische Einnahmen, auf deren Basis sich wunderbar Pläne schmieden lassen. Denn auch Abu Dhabi hat erkannt, dass auch seine Ressourcen endlich sind und die Zukunft nicht im Verkauf von Sand liegen wird.

So legt das Emirat seit Jahren sein Geld nicht nur in der Rohstoff-Förderung an. Es fließt gleichermaßen in Projekte, die vor allem Touristen ins Land locken sollen. Seit 2009 etwa werden auf der Yas-Insel und dem gleichnamigen Yas Marina Circuit Formel-1-Rennen ausgetragen. Außerhalb der Rennen vermarktet sich das Multi-Millionen-Dollar-Objekt als Teststrecke für Autofirmen oder als Familien-Ereignispark. So kann die Strecke jeden Dienstag zu Fuß oder mit dem Fahrrad absolviert werden - ein Spaß, den sich zunehmend mehr Menschen gönnen, wie Paul Quinn, Pressechef der Rennstrecke berichtet. Ganz in der Nähe liegt die Ferrari World, ein einzigartiger Marken-Spaßpark. Abu Dhabi versucht aber zunehmend, sich vom Massen- und Lifestyle-Tourismus Dubais abzuheben. So wird die Insel Saadiyat im Osten des Emirats zu einer Kulturinsel ausgebaut. So soll es in wenigen Jahren einmal einen zweiten (Mini)Louvre und ein Guggenheim-Museum geben.

All das soll sich einordnen in einen Stadtentwicklungsplan, der die Zukunft Abu Dhabis bis 2030 umreißt. Und - die Wette gilt: Die Worte "klein", "billig" und "langsam" werden absehbar auch dabei kaum eine Rolle spielen.