1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Vatikan: Vatikan: Pilger als Paparazzi

Vatikan Vatikan: Pilger als Paparazzi

Von Thomas Kärst 25.11.2005, 10:39
Höchstes Ziel für viele Rom-Pilger - nur wenigen gelingt es jedoch: während einer Generalaudienz die Hand des Papstes zu schütteln. (Foto: dpa)
Höchstes Ziel für viele Rom-Pilger - nur wenigen gelingt es jedoch: während einer Generalaudienz die Hand des Papstes zu schütteln. (Foto: dpa) ANSA

Rom/dpa. - «Jetzt strömen dieDeutschen», sagt der rundliche Prälat, der das «Pastorale Zentrum fürdie Pilger deutscher Sprache» leitet. In dem Renaissance-Palast ander Via della Conciliazione drängen sich jetzt ganzjährig dieReisegruppen und lassen sich von Don Antonio den Weg zu denwichtigsten Heiligtümern der Ewigen Stadt weisen.

Ein Muss für die Pilger in Rom sind zunächst die vierHauptbasiliken: Petersdom, Sankt Paul vor den Mauern, Lateranbasilikaund Santa Maria Maggiore. Ausdauernde Gläubige können zusätzlich nochdrei weitere Pilgerkirchen besuchen, um auf die heilige Zahl Siebenzu kommen. Früher wurden die Wege zwischen den Kirchen alsFußwallfahrt zurückgelegt, erklärt Weihbischof Engelbert Siebler,Romkenner und Präsident des Bayerischen Pilgerbüros. Er empfiehltjedoch öffentliche Verkehrsmittel: «Heute ist ein Gang durch dieStadt einfach kein spirituelles Erlebnis mehr», seufzt der Münchner.

Zu einer echten Romwallfahrt gehört auch ein Besuch in denKatakomben, in denen manchen Pilger angesichts der morbidenAtmosphäre selbst im dicken Pullover ein Frösteln überkommt. In denunterirdischen Grabstätten feierten die ersten Christen ihreGottesdienste im Verborgenen, wie Fresken und Inschriften bezeugen.In den Calixtus-Katakomben beispielsweise wurden außerdem mehr alsein Dutzend Päpste begraben.

Die meisten Pilger aber zieht es zum lebenden Pontifex: «Einmalden Heiligen Vater aus der Nähe sehen» bringt ein Mittfünfziger ausBingen das Ziel seiner Romreise auf den Punkt. Am ehesten klappt dasbei der wöchentlichen Generalaudienz. Jeden Mittwoch spricht derPapst vor der Peterskirche oder - bei schlechtem Wetter - in der nahegelegenen Audienzhalle zu den Gläubigen. Doch wer einen guten Platzhaben will, muss früh aufstehen: Schon um 8.00 Uhr stehen die erstenGruppen vor den Eingängen zum Petersplatz und lassen dieSicherheitskontrollen über sich ergehen.

Mit wehender Soutane läuft Don Antonio voran und nickt freundlichden salutierenden Schweizergardisten zu. Durch die riesigenSäulengänge geht es auf den Platz, auf dem schon munteres Treibenherrscht: Trachtengruppen schwenken bunte Banner, asiatische Nonnentesten ihre Fotohandys. Aufgeregt stolpert eine Jugendgruppe vorbei,und rund 50 Brautpaare in vollem Hochzeitsstaat suchen sich einenPlatz unmittelbar vor der Absperrung, hinter der ein Thronsessel fürden Papst bereit steht.

Um 10.15 Uhr biegt endlich das «Papamobil» auf den Platz ein unddreht im Schritttempo mehrere Runden durch die Menschenmenge. «Knapp70 000 Teilnehmer sind es heute», schätzt Don Antonio. Um überhauptauf den Platz zu kommen, ist eine Eintrittskarte nötig. Die istkostenlos beim deutschen Pilgerzentrum erhältlich - allerdings bietenStraßenhändler ahnungslosen Touristen die Kärtchen auch schon mal zumKauf an.

Jubelrufe gehen wie eine Welle über den Petersplatz, unzähligeArme und Fotoapparate strecken sich dem Papst entgegen. Als Benediktschließlich auf dem Sessel Platz nimmt, kommt er nur bis zum «LiebeBrüder und Schwestern...», als erneut Applaus aufbrandet. Auch dieanschließende Bibelauslegung wird häufig unterbrochen: Sprecherverlesen in sechs Sprachen, welche Pilgergruppen sich heute auf demPlatz versammelt haben - lauter Jubel der jeweils Genannten schalltzurück.

Nach dem Ende der Audienz geht der kleine, weiß gekleidete Mannlangsam auf die nächstliegende Absperrung zu und schüttelt Hände.Wieder klicken zahllose Fotoapparate, drängen Menschentrauben heran.«Ich hab' drei Finger erwischt!», freut sich ein Pilger, als derPapst vorüber ist. Eine junge Frau seufzt ergriffen: «Er hat sogütige Augen!» Andere vergleichen ihre digitalen Schnappschüsse,bevor sich der Petersplatz schnell leert.

Wer beim Happening vor St. Peter nicht zur rechten Andacht findet,der hat zahlreiche Alternativen. «Rom ist der Ort, wo man sich ambesten Gedanken machen kann - über das Vergängliche und über dasBleibende», sagt Don Antonio. Ein augenfälliges Beispiel dafür istdas Pantheon, das für viele Pilger zum Pflichtprogramm gehört.

Im zweiten Jahrhundert errichtet, hat sich der runde Kuppelbau mitdem vorgesetzten Portikus bis heute fast unverändert erhalten. Nurdie Widmung wurde geändert: Statt «Tempel aller Götter» ist er seitdem Jahre 608 eine christliche Kirche. Im Innern fasziniert derschlichte Raum, der durch vollkommenes Ebenmaß und eine kreisrundeÖffnung in der Kuppeldecke das Heilige abzubilden sucht.

Die Zeiten überdauert hat auch das rund 2000 Jahre alte Kolosseum.Doch es ist für die Kirche nicht nur von historischem Interesse - soerklärte ein Namensvetter des jetzigen Papstes, Benedikt XIV., im 18.Jahrhundert die Ruine zur geweihten Stätte. In blutigen Spielenfanden hier viele Christen den Tod. Und bis heute findet im Kolosseuman jedem Karfreitag eine Prozession zum Gedenken an die christlichenMärtyrer statt - 2005 hat die Texte dafür bereits der damaligeKardinal Joseph Ratzinger verfasst.

Informationen: Deutsches Pilgerzentrum (Centro PastoralePellegrini di Lingua Tedesca), Via della Conciliazione 51, 00193 Rom(Tel. von Deutschland: 0039/06/689 71-97 oder -98; Fax: 0039/06/68694 90)