Vatikan Vatikan: Kranker Papst sagt die Generalaudienz ab

Rom/dpa. - Er wirkte hinfällig.
Nach Angaben des staatlichen RAI-Senders wurde das Video amMittwoch in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo bei Romaufgenommen. Die rund 7000 Menschen in der Audienzhalle des Vatikanskonnten über Lautsprecher lediglich die Papststimme hören. «Es tutmir leid, dass ich nicht bei Euch sein kann», sagte der Papst. «Ihrseid alle in meinem Herzen und ich segne Euch.»
Einzelheiten über den verschlechterten Gesundheitszustand gab derVatikan nicht bekannt. Erst wenige Stunden vor der Audienz meldetesich Vatikansprecher Joaquín Navarro-Valls zu Wort, mit einemeinzigen Satz: «Der Heilige Vater hält wegen Darmproblemen, die ersich Dienstagnachmittag zugezogen hat, auf Rat seines Leibarztesheute keine Generalaudienz.» Kein weiteres Wort der Erklärung. Istdie traditionelle Geheimniskrämerei im Kirchenstaat zurückgekehrt?Gläubige auf der ganzen Welt fragen sich: Wie schlecht geht es demPapst wirklich?
Die Unsicherheit ist groß, jeder weiß, dass der Papst schwer krankist, aber mit seiner Informationspolitik verstärkt der Vatikan dieUnsicherheit zusätzlich. Unklar ist, welche Termine der Papst in dennächsten Tagen einhalten kann und welche nicht. Vor allem: was sollaus den Feiern zum 25-jährigen Pontifikat Mitte Oktober werden? StattJubelfeiern ein Trauerspiel?
Zwar ist es nicht das erste Mal, dass Karol Wojtyla eineVerpflichtung absagt, aber es ist extrem selten, dass er dies tut.«Gerade der direkte Kontakt mit den Menschen ist bisher stets diegroße Stärke dieses Papstes gewesen», meint ein Vatikaninsider.Bislang habe er auch dann zu den Gläubigen gesprochen, «wenn es ihmverdammt schlecht ging». Viele fragen sich: Wie geht es jetzt weiter?
«Päpste sind nicht krank, Päpste sterben», heißt ein römischesBonmot. Im Klartext: Über die Gesundheit des Kirchenführers wird zuLebzeiten nicht gesprochen, bekannt gegeben wird erst der Tod. Esscheint, als kehre der Kirchenstaat zu dieser alten Praxis zurück.Offiziell bestätigt der Vatikan nicht einmal, dass Johannes Paul II.an Parkinson leidet.
Da wundert es nicht, dass die Stimmen im Vatikan, wonach «keinAnlass zur Sorge besteht», kaum jemanden beruhigen. Das gilt umsomehr nach seinem Auftritt bei der Slowakeireise vor zwei Woche, alsder Papst selbst kurze Reden und Predigten nicht selbst vortragenkonnte. Zeitweise schien der Greis in Bratislava geistig abwesend.
«Es gibt keinen Mechanismus um einen Papst zu ersetzen, wenn erchronisch verwirrt, senil oder wie im Koma ist», schrieb schon vorlängerer Zeit ein amerikanischer Vatikanexperte. Jeder weiß, dass dieParkinson Krankheit unaufhaltsam voranschreitet. «Wenn der Papstkeine Messen mehr halten kann, tritt er zurück», hieß früher eineFormel von Vatikankennern. Doch seit längerem ist die Sprache desalte Polen schon kaum mehr zu verstehen, auch das Folge der ParkinsonKrankheit. Doch bisher hat der Papst alles Gerede über einen nach demKirchenrecht möglichen Rücktritt ärgerlich vom Tisch gewischt.
Zufall? Gerade an diesem Mittwoch, als der Papst nicht zur Audienzkam, veröffentlichte die «Berliner Zeitung» ein Interview mitKardinal Oscar Rodriguez aus Honduras, der selbst schon über einenPapst-Rücktritt laut nachdachte. Darin plädiert er ganz offen füreinen Papst aus der Dritten Welt. «Auf jeden Fall könnte ein Papstaus dem Süden ein Werkzeug der Vorsehung sein, den Nord-Süd-Konfliktwenn nicht gleich zu lösen, so doch zu lindern. Aber das liegt in derHand des Heiligen Geistes.» Der Kardinal aus Honduras gilt selber als«papabile» - als einer, der das Zeug zum nächsten Papst hat.