Vatikan Vatikan: Deutscher Kardinal Ratzinger wird zum neuen Papst gewählt

Rom/Berlin/dpa. - Internationalüberwog Anerkennung für den Kurienkardinal. UN-Generalsekretär KofiAnnan wünschte Ratzinger Stärke und Mut für seine große Aufgabe.
Mit den Worten «Habemus papam» (wir haben einen Papst) wurdeRatzinger nach dem nur 26-stündigen Konklave auf dem Balkon desPetersdomes der Weltöffentlichkeit angekündigt. Um 18.48 Uhr MESZ Uhrzeigte sich das neue Kirchenoberhaupt von weltweit 1,1 MilliardenKatholiken den mehr als 100 000 begeisterten Menschen auf demPetersplatz. Jubel brandete auf, Roms Glocken läuteten, vieleschwenkten Fahnen. Sprechchöre riefen «Benedikt, Benedikt, Benedikt».
Ratzinger zeigte sich ebenso bewegt wie erfreut. «Liebe Schwesternund Brüder, nach dem großartigen Papst Johannes Paul II. haben dieHerren Kardinäle mich, einen einfachen, demütigen Arbeiter imWeinberg des Herrn zum Diener der Kirche gewählt», waren seine erstenWorte als Papst auf dem Balkon des Petersdoms. Er bat die Gläubigenum ihr Gebet und äußerte die Zuversicht, dass Maria der Kirche zurSeite stehen werde. Abschließend spendete er erstmals den PapstsegenUrbi et Orbi (der Stadt und dem Erdkreis). In einer feierlichen Messewird Benedikt XVI. am Sonntag in Rom in sein Amt eingeführt.
In einer ersten Reaktion würdigte der Sprecher des UN-Generalsekretärs das neue Oberhaupt der katholischen Kirche, das eineFülle von Erfahrungen für das Amt mit sich bringe. «Die VereintenNationen und der Vatikan fühlen sich dem Frieden, der sozialenGerechtigkeit, Menschenwürde, religiösen Freiheit und dem Respekt füralle Glaubensrichtungen der Welt gleichermaßen verpflichtet.»
Bundespräsident Horst Köhler wünschte Benedikt XVI. Mut und Kraft.«Dass ein Landsmann Papst geworden ist, erfüllt uns in Deutschlandmit besonderer Freude und mit ein wenig Stolz». Er gehe davon aus,dass Benedikt XVI. zum 20. Weltjugendtag im August nach Köln reisenwerde. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gratulierte im Namen derBundesregierung und aller Bundesbürger. Als «historisch» bezeichnetendie Unions-Vorsitzenden Angela Merkel und Edmund Stoiber die Wahl.Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland,zeigte sich überzeugt, dass Benedikt XVI. den von Papst Johannes PaulII. «eingeschlagenen erfolgreichen Weg der Verständigung zwischenChristen und Juden zum Wohl beider Religionen intensivieren wird»,wie er dem «Mannheimer Morgen» (Mittwochausgabe) sagte.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), das in derVergangenheit römischen Zentralismus beklagt hatte, gratulierte demneuen Papst «von Herzen». Er hoffe, dass Ratzinger als Benedikt XVI.sein Pontifikat im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils führenwerde, «das er als Theologe so maßgeblich mitgestaltet hat», sagteZdK-Präsident Prof. Hans Joachim Meyer.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),Wolfgang Huber, hofft, dass die Ökumene weiter vorangetrieben werde,etwa bei Frage des gemeinsamen Abendmahls.
Reformkräfte der katholischen Kirche in Deutschland undevangelische Kirchenführer äußerten aber Zweifel an derReformbereitschaft des neuen Papstes. Der katholische Theologe HansKüng sprach von einer «Riesenenttäuschung» für alleReformorientierten. Der neue Pontifex stehe vor einem Bergunerledigter Aufgaben. Der evangelische Landesbischof Ulrich Fischersagte in Freiburg: «So glücklich sind wir über die Wahl nicht.»Ratzinger habe als Leiter der Glaubenskongregation dem ökumenischenGedanken keine Chance gegeben.
In Lateinamerika, wo knapp die Hälfte der 1,1 MilliardenKatholiken lebt, reagierten viele enttäuscht. Mehrerelateinamerikanische Kardinäle hatten ebenfalls als «papabile»gegolten. In seiner Zeit als Kurienkardinal hatte Ratzinger die inLateinamerika verbreitete «Befreiungstheologie» auch mitDisziplinarmaßnahmen bekämpft.
In Polen, Frankreich, den Niederlanden und in afrikanischenLändern gab es viel Zustimmung und Glückwünsche.
Die im geheimen Konklave versammelten 115 Kardinäle hatten sichfür den deutschen Kurienkardinal, der im bayerischen Marktl am Inngeboren wurde, vermutlich im vierten Wahlgang entschieden. Notwendigwar eine Zweidrittelmehrheit, also mindestens 77 Stimmen. DieEntscheidung fiel nur 26 Stunden, nachdem die Papstwähler in dieSixtinische Kapelle eingezogen waren. Es war eines der kürzestenKonklaves in der Kirchengeschichte.
Um 17.50 Uhr MESZ stieg Rauch aus dem Schornstein der Kapelle -die Entscheidung war gefallen, aber zunächst unklar. Erst nachmehreren Minuten wurde der Rauch deutlich weiß. Die Verwirrung wurdeendgültig durch das Glockengeläut vom Petersdom beendet. TausendeMenschen strömten im Laufschritt zum Petersplatz, um die Worte«Habemus papam» zu hören und das Oberhaupt zu begrüßen. In denStraßen ertönte ein Hupkonzert. Der Verkehr brach streckenweisezusammen.
Ratzinger hatte bis zuletzt als Favorit gegolten. Der frühereErzbischof von München und Freising ist der 265. Papst in derKirchengeschichte und der achte Deutsche auf dem Stuhle Petri.Ratzinger gilt wegen seiner theologischen Ansichten als konservativ,der die Linie von Johannes Paul II. fortsetzen dürfte. Viele Jahreleitete er im Vatikan die wichtige Glaubenskongregation. In der Messevor der Eröffnung des Konklaves hatte Ratzinger in seiner Predigteiner Anpassung des Glaubens an den Zeitgeist eine deutliche Absageerteilt und die «Diktatur des Relativismus» verurteilt.
In Marktl am Inn - direkt gegenüber dem Geburtshaus desprominentesten Sohnes der Gemeinde - gab es am Abend Blasmusik undBöllerschüsse, viele kamen in Tracht. Bürgermeister HubertGschwendtner hatte ein Fest auf dem Marktplatz vorbereitet. Er willPapst Benedikt XVI. möglichst bald zu einem Besuch einladen.


