V-Mann-Affäre V-Mann-Affäre: Otto Schily ärgert sich über Indiskretion

Berlin/dpa. - Der Minister versicherte, dasVerbotsverfahren gegen die rechtsextremistische NPD stehe nicht aufder Kippe.
Schily sagte am Samstag in München, es sei «unerträglich», dassbereits kurz nach der Sitzung des PKG am Freitag Gerüchte über V-Leute verbreitet worden seien. «Wenn das nicht aufhört, werde ichdafür sorgen, dass wir nicht mehr in das Kontrollgremium gehen.» FürMittwoch wird ein Auftritt Schilys im Innenausschuss des Bundestageserwartet. Davon macht die Union ihr weiteres Vorgehen abhängig.
Schilys Sprecher Rainer Lingenthal dementierte einen Bericht der«Bild am Sonntag», wonach Schily dem Kanzler zwei Mal angeboten hat,die «politische Verantwortung» für die Fehler in seinem Ressort zuübernehmen. Das Blatt schrieb, Schröder habe dies abgelehnt.
Die Karlsruher Richter hatten alle Verhandlungstermine ausgesetzt,weil sie zu spät und lediglich telefonisch darüber informiert wordenwaren, dass der als Zeuge vorgesehene NPD-Funktionär Wolfgang Frenzbis 1995 für den Verfassungsschutz gearbeitet hatte. Davon hat Schilynach eigenen Angaben erst am vergangenen Dienstag erfahren. Zu denBerichten aus dem PKG über einen zweiten am Verfahren beteiligten V-Mann wollte sich Schily nicht äußern.
Der zweite V-Mann ist nach Medienberichten der NPD-Landeschef vonNordrhein-Westfalen, Udo Holtmann. Er sei aber nicht als Zeugegeladen. Schilys Sprecher betonte, Holtmann komme in dem Antrag derBundesregierung nicht vor. Die NPD bestätigte dem ARD-Magazin «ReportMainz» und dem Berliner «Tagesspiegel», dass Frenz und Holtmann alsV-Leute gearbeitet hätten.
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach kritisierte SchilysBoykottdrohung. Sein ganzes Verhalten zeige, «Schily wankt», sagteBosbach am Sonntag der dpa. Nach der Sitzung des Innenausschusses amkommenden Mittwoch werde die Union über weitere Schritte beraten.Eine Rücktrittsforderung sei denkbar.
CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagte in Kitzingen, auf Grundder jüngsten Entwicklungen sei Schily nicht mehr zu halten. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel erklärte, es sei «unerträglich», dasssich der Minister mit Hinweis auf mangelnde Verschwiegenheit des PKGaus der Verantwortung stehlen wolle.
Die bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenbergerund der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg vanEssen, verlangten Schilys Rücktritt. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt verlangte den Ausstieg desBundestages aus dem Verfahren. «Das Tempo des Verfahrens, das auchder Bundeskanzler mitzuverantworten hat, hat der NPD eine unnötigeBühne geschaffen und dem Rechtsstaat Schaden zugefügt», sagte er der«Bild am Sonntag».
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering und der Grünen-RechtsexperteVolker Beck nahmen Schily gegen die Kritik der Opposition in Schutz. Müntefering sagte der «Sächsischen Zeitung» (Dresden/Montag): «Wirstreben weiter das Verbot der NPD an und unterstützen Otto Schily dabei uneingeschränkt.» Den Vorschlag der FDP, den Verbotsantrag zurückzuziehen, lehnte er ab.
PDS-Fraktions- und Parteivize Petra Pau hält dagegen das gesamteVerbotsverfahren für stark gefährdet. Der Verfassungsrechtler und CDU-Bundestagsabgeordnete Rupert Scholz (CDU) sagte der «Bild am Sonntag»: «Ich bin sehr skeptisch, ob das NPD-Verbot jetzt noch kommt.» Der frühere Präsident des Verfassungsgerichts, Ernst Benda, sprach sich in der «Bild»-Zeitung (Montag) dafür aus, die Verbotsanträge zurückzuziehen und «substanziell überarbeitet» neu einzubringen.
