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USA USA: Olympischer Fackellauf wird zur Farce

Von Barbara Munker 10.04.2008, 06:24

San Francisco/dpa. - Die gewöhnlich experimentierfreudige StadtSan Francisco ist beim olympischen Fackellauf auf Nummer sichergegangen. Um sich nicht die Finger zu verbrennen und Krawalle zuriskieren, wurde das olympische Feuer von den Verantwortlichen ineinem mehrstündigen Katz-und-Maus-Spiel Tausenden Zuschauern undDemonstranten vorenthalten. Auf ihrem bizarren Weg durch die Straßenvon San Francisco wurde die Fackel unter anderem in einem Lagerhausversteckt, per Bus ans andere Ende der Stadt chauffiert, vonPolizisten umringt, von einer erwartungsvollen Menge abgeschirmt undohne Abschiedszeremonie schnell zum Flughafen gebracht.

Es sei nicht «die freudige Party» gewesen, die man sich erhoffthabe, sagte IOC-Präsident Jacques Rogge. Aber nach den teilweisegewalttätigen Protestaktionen bei den Fackelläufen in London undParis nannte er die Situation in San Francisco «besser». Aus Angstvor massiven Protesten gegen die Tibet-Politik der chinesischenRegierung war der Fackellauf durch die Westküstenstadt in letzterMinute umgeleitet worden. Weg von der beliebten Hafenpromenade, worund zehntausend Menschen stundenlang vergeblich auf die Flammewarteten.

Nach dem Entzünden der Fackel waren die Läufer heimlich per Bus ineinen anderen Stadtteil, weitab von der geplanten Strecke, gebrachtworden. Dort setzten sie ihren Lauf durch die Stadt unter starkemPolizeischutz ohne große Zwischenfälle in meist menschenleerenStraßen fort. David Perry, Sprecher der Fackellauf-Organisatoren,verteidigte die Programmänderung. Die «außergewöhnliche Maßnahme» seizum Schutz der Läufer getroffen worden, sagte Perry dem LokalsenderKTVU. Nach den Vorfällen in London und Paris hätten sich zahlreicheFackelträger vor gewalttätigen Ausschreitungen gefürchtet.

Der Stadtratsvorsitzende Aaron Peskin verurteilte die Entscheidungvon Bürgermeister Gavin Newsom scharf. «Gavin Newsom regiert SanFrancisco so wie Chinas Staatschef sein Land führt - mitGeheimniskrämerei, Lügen, Falschinformationen, mangelnde Transparenzund Manipulation der Massen.» Der liberale Bürgermeister, der alsVerfechter der Redefreiheit bekannt ist, bemühte sich, den Schritt zurechtfertigen. «Meiner Meinung nach hatten die Leute das Recht zuprotestieren und die Fackel zu unterstützen. Das sah man auf derStraße. Wir haben keine Proteste verboten», sagte Newsom.

Polizeichefin Heather Fong gab ihm Rückendeckung. «Hätten wir unsan die ursprünglich Route gehalten, dann hätten wir bestimmtPolizisten mit Schutzhelmen und Schlagstöcken beim Einsatz gegenDemonstranten gesehen», mutmaßte Fong. Marathonläufer Dean Karnazes,einer der knapp 80 Fackelträger, beschrieb den Lauf als «unglaublichunwirkliches» Erlebnis. Er bedauerte die Zuschauer, die vergeblichgewartet hatten, freute sich aber über das Ergebnis. «Wir habenunsere Aufgabe erfüllt, das war ein Erfolg, trotz einiger heiklerMomente.»

Viele Menschen in San Francisco reagierten empört und enttäuscht.«Ich bin sehr verärgert», schimpfte Rosie Salis, die zum Fackellaufaus der Nachbarstadt Foster City angereist war. «Es waren viele Leutemit ihren Kindern hier. Sie mussten vier, fünf Stunden warten, unddann diese Enttäuschung», sagte sie dem «San Francisco Chronicle».Einige Pro-Tibet-Demonstranten sprachen dennoch von einererfolgreichen Aktion. «Die Tatsache, dass so viele Menschen hier fürTibet demonstriert haben, allein das ist ein riesiger Erfolg», sagteder Exil-Tibeter Tenzing Chonden.

Doch der Leitartikel des «San Francisco Chronicle» erklärte dieStadt zum Verlierer. «Dies war unsere Chance zu zeigen, wie SanFrancisco starke politische Meinungsverschiedenheiten respektiert unddamit umgeht. Tausende wollten die Fackel sehen und ihre Einstellungzu den Olympischen Spielen, ob positiv oder negativ, ausdrücken.Leider haben sich unsere Stadt-Oberhäupter dazu entschieden, vorihnen wegzulaufen».