"Riesenproblem" und geplatzte Hoffnung US-Wahl 2020 Trump gegen Biden: Deutsche Reaktionen auf die US-Wahl

Berlin - Die USA haben gewählt, aber noch keinen neuen Präsidenten. Viele deutsche Politiker reagierten am Morgen allerdings enttäuscht. Viele hatten auf einen klaren Sieg von Joe Biden gesetzt. So haben sich deutsche Politiker zur Wahl in den USA geäußert:
Altmaier warnt vor Hängepartie nach US-Wahl
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich angesichts des engen Rennens um die US-Präsidentschaft besorgt gezeigt, dass sich die Diskussion um den Wahlausgang lange hinziehen könnte. „Es wird möglicherweise auch so geschehen, wie wir das schon mal erlebt haben: dass man eben noch sehr sehr lange darüber diskutiert, falls das Wahlergebnis knapp ist“, sagte Altmaier am Mittwoch im ZDF. Damit spielte er auf die Wahl 2000 an, als George W. Bush erst lange nach der Wahl als neuer US-Präsident feststand.
Maas: Transatlantisches Verhältnis muss in Ordnung gebracht werden
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hofft darauf, dass sich nach der US-Präsidentschaftswahl die Beziehung zwischen Europäern und Amerikanern wieder verbessert. Das transatlantische Verhältnis müsse - gleich wer gewinnt - „in Ordnung gebracht“ werden, sagte Maas am Dienstagabend in der ARD. „Wir brauchen einander.“
Kramp-Karrenbauer sieht „sehr explosive Situation“ in den USA
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sieht wegen der Unsicherheit über den Wahlausgang in den USA „eine sehr explosive Situation“ dort. Es sehe so aus, „dass jetzt die Schlacht um die Legitimität des Ergebnisses, wie immer es aussehen wird, begonnen hat“, sagte die CDU-Chefin am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Offensichtlich werde der Wahlkampf jetzt auch nach der Wahl fortgesetzt. Kramp-Karrenbauer widersprach der Darstellung von US-Präsident Donald Trump, er habe bereits die Wahl gewonnen. „Diese Wahl ist noch nicht entschieden“, betonte die CDU-Politikerin, denn „die Stimmen werden noch ausgezählt“. Sie warnte angesichts des Auftretens von Trump vor „einer Verfassungskrise in den USA“. Dies sei „etwas, das uns insgesamt sehr beunruhigen muss“.
SPD-Fraktionschef Mützenich für stärkere Abkoppelung von den USA
Als Konsequenz aus der Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump in den vergangenen vier Jahren plädiert SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich für eine stärkere Abkoppelung Europas von den Vereinigten Staaten. „Es gibt ernstzunehmende Stimmen auch in Europa, dass wir uns stärker abkoppeln müssen, auch von dem, was in den USA passiert. Und zu diesen Stimmen gehöre ich auch“, sagte Mützenich in der ARD. Die Sorge, dass die USA aus der Nato austreten könnten, werde bei einem Wahlsieg Trumps bestehen bleiben. „Man muss es ernst nehmen.“
FDP-Chef Lindner: „Haben uns Prinzip Hoffnung hingegeben“
FDP-Chef Christian Lindner hat nach eigenen Angaben die Hoffnung auf ein „politisches Wunder“ bei der US-Wahl aufgegeben. „Wir haben uns alle wohl sehr stark dem Prinzip Hoffnung hingegeben, dass es schon alles gut werden wird und die Amerikaner einen Irrtum korrigieren werden“, sagte Lindner gegenüber RTL. Dennoch hofft der FDP-Chef auf „einigermaßen klare Resultate, damit in den Vereinigten Staaten nicht eine längere Zeit von Instabilität beginnt“. Europäer und Deutsche müssten sich „so oder so“ darauf einstellen, „eine selbstbewusstere, eigenständige Rolle auf der Weltbühne zu spielen, egal, wer das Rennen heute macht“.
Riexinger beunruhigt über Präsidenten-Wahl
Linken-Chef Bernd Riexinger hat sich beunruhigt über die Präsidentenwahl in den USA gezeigt. Bei Amtsinhaber Donald Trump laufe bereits die „Maschinerie von Fake News und Einschüchterung“, erklärte er am Mittwoch in Berlin. Zusätzlich habe er seine Unterstützer „unverhohlen zu Gewalt aufgerufen“. Das sei „brandgefährlich“. Mit dem offenen Wahlausgang „steigt das Risiko, dass diesen Aufrufen auch Taten folgen werden“. Trump habe seine gesamte Amtszeit über „seine Verachtung für die Demokratie zum Ausdruck gebracht“, sagte Riexinger weiter.
Röttgen: Nicht auf vier weitere Jahre Trump vorbereitet
Ein Sieg Donald Trumps bei der Präsidentenwahl in den USA würde Deutschland nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Norbert Röttgen kalt erwischen. „Wir sind darauf nicht vorbereitet“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag am Mittwochmorgen in der ARD. Sollte Trump für vier weitere Jahre Präsident bleiben, würde es eine Steigerung all dessen geben, was man in der ersten Amtszeit erlebt habe. „Es macht einen Unterschied, ob man vier Jahre die Nato überraschend in Zweifel zieht oder ob das acht Jahre lang passiert.“
Baerbock: „Mulmiges Gefühl“ bei Blick auf US-Wahlverlauf
Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat mit Blick auf den Ausgang der US-Wahl zur Geduld gemahnt. „Natürlich hat man in den nächsten Stunden weiter ein mulmiges Gefühl“, sagte Baerbock am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Demokratie brauche jedoch in diesen schwierigen und unsicheren Stunden Geduld. Es komme nun darauf an, dass die US-amerikanischen Institutionen ihre Arbeit machen und sicherstellen, „dass auch die letzte Briefwahlstimme ausgezählt wird.“ Die vergangenen vier Jahre unter Präsident Trump seien für die USA „hart“ gewesen, sagte Baerbock. Sie betonte: „Das ist eine demokratische Wahl, die Amerikanerinnen und Amerikaner entscheiden.“
Transatlantik-Koordinator Beyer befürchtet Ausschreitungen in den USA
Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, befürchtet, dass es bei einer längeren Hängepartie nach der Präsidentenwahl in den USA zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen könnte. „Wenn es dauert, bis es eine rechtskräftige Entscheidung über den Wahlsieger gibt, ist zu befürchten, dass es auch auf den Straßen zu Konfrontationen zwischen beiden Lagern kommt“, sagte der CDU-Politiker am Mittwochmorgen der dpa. „Ich glaube aber nicht, dass es einen flächendeckend bürgerkriegsähnlichen Zustand geben wird.“ Es gebe keine Anführer und keine Organisationen, die so etwas ad hoc auf die Beine stellen könnten. „Das Szenario eines Bürgerkriegs halte ich für völlig übertrieben.“
Gysi nennt Trumps vorzeitige Siegeserklärung „unmöglich“
Der Linke-Politiker Gregor Gysi hat die vorzeitige Siegeserklärung von Amtsinhaber Donald Trump bei der US-Wahl als „absolut unmöglich“ kritisiert. „Das ist auch wirklich undemokratisch. Man wartet die Auszählung ab und dann redet man über das Ergebnis“, sagte der außenpolitische Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion im ZDF-„Morgenmagazin“. Zuvor hatte sich Trump zum Sieger erklärt und angekündigt, eine weitere Auszählung von Stimmen vom Obersten US-Gericht stoppen lassen zu wollen. Gysi sagte, es wäre verhängnisvoll, sollte die Wahl nicht von den Wählern, sondern vom Supreme Court entschieden werden. Trump wolle die Leute aufputschen. „Wenn dann doch festgestellt wird, dass Biden gewonnen hat und nicht er, hat er schon eine Stimmung geschürt.“
Gabriel warnt vor Hängepartie in den USA
Der frühere deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat mit Blick auf den sich abzeichnenden knappen Wahlausgang vor einer womöglich langen Hängepartie in den USA gewarnt. „Die USA als Land, das jetzt schon tief gespalten ist, auf Monate mit sich selbst beschäftigt zu sehen, das wäre schon ein Riesenproblem“, sagte Gabriel am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Er verwies auf drängende Herausforderungen wie die Corona-Pandemie und die Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen. Zudem würde eine Phase der Selbstbeschäftigung der USA „die freuen, die das Vakuum füllen wollen: China, Russland, die Türkei“, warnte Gabriel weiter. Dagegen sei Europa für diese Rolle „leider zu schwach“. (dpa/afp)