US-Präsidentschaftskandidat US-Präsidentschaftskandidat: «Kennedy-Effekt» bleibt aus

Berlin/MZ. - Das gusseiserne Schildist grünlich verblichen. Doch es ist unübersehbargroß. Darauf steht: "John F. Kennedy, 35.Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika,sprach in der Mittagsstunde des 26. Juni 1963an dieser Stätte zu den Bürgern Berlins".45 Jahre später stehen wir auf der Treppevor dem Rathaus Schöneberg unterhalb des Balkons,auf dem Kennedy stand, um die Menschen zufragen, was sie von einem anderen Hoffnungsträgerhalten - von Barack Obama, Demokrat wie Kennedy,doch noch nicht Präsident. Die Berliner sindkeineswegs euphorisch. Ein junger Mann sagt:"Soll er kommen. Aber was ändert das an meinemLeben?"
Offiziell sieht das anders aus. Bereits amDienstag sind Teile der Straße des 17. Junigesperrt. Die Straße führt auf die Siegessäulehin, vor der Obama heute um 19Uhr seine einzigeeuropäische Rede halten wird. Von den Menschenam Rathaus Schöneberg will keiner hingehen- außer einer Frau um die vierzig, die "dasreale Bild gern mit dem Medien-Bild abgleichenwürde". Skepsis überwiegt eindeutig.
Till Poser, ein politisch gebildeter Unternehmensberater,findet es "okay, dass er hier für sich Wahlkampfmachen will". Sollte Obama das Weiße Hauserobern, würden aber in jedem Fall erhöhteAnforderungen auf uns zukommen, glaubt der48-Jährige - etwa in Afghanistan. "Die Frageist, wie die deutsche Politik damit umgeht."Einen "Kennedy-Effekt", also eine Begeisterungwie 1963, sieht Poser nicht. "Berlin war einebelagerte Stadt. Kennedy war der Beschützer.Das ist heute nicht mehr gegeben." Und schließlichwollten die Deutschen "einen reinen Messias".
Ähnlich sieht das Soran Atanaskovic, ein Psychologe.Er habe als 16-jähriger Berufsschüler vordem Rathaus Schöneberg gestanden, als Kennedysprach, erinnert sich der Mann von heute 62Jahren. Kennedy sei damals mit dem RegierendenBürgermeister Willy Brandt (SPD) und BundeskanzlerKonrad Adenauer (CDU) in einer offenen Limousinedurch die Stadt gefahren. Alles sei 1963 andersgewesen. Berlin war geteilt. Die Kriegsgenerationsei autoritätsgläubiger gewesen als die gegenwärtige.Weil die Umstände sich gewandelt hätten, könneein Auftritt nicht dieselbe Wirkung entfalten.
Für die 48-jährige Susanne Wieghardt kommteinfach der Falsche nach Berlin. "Ich warimmer für Hillary Clinton. Ich hätte gerneeine Frau gehabt." Wieghardt nennt die Aufregungum Obamas Besuch gut amerikanisch einen "Hype- nur weil er jung, schwarz und schön ist".Positiv sei immerhin, findet die Frau, dievon 1984 bis 1988 in New York lebte, dassder US-Präsident 2009 nicht mehr George W.Bush heiße.
Bloß Neomi Lorentz sieht den Besuch optimistisch.Obama sei "ein unterstützenswerter Kandidatmit ein paar guten Ideen" wie etwa dem Abzugaus dem Irak. Die junge Frau ist 24 und arbeitetbald in einer Lepra-Station im nepalesischenKathmandu.