US-Experte Jacob Schrot über Trump US-Experte Jacob Schrot über Trump: "Das Establishment ist bis ins Mark erschüttert"
Halle (Saale) - Die Initiative junger Transatlantiker setzt sich für eine bessere Kooperation zwischen den USA und Deutschland ein. Die Aufgabe dürfte in nächster Zeit wieder schwieriger werden. MZ-Redakteur Christian Schafmeister sprach mit Jacob Schrot, dem Gründer und Ehrenvorsitzenden, über das Amerika des Donald Trump.
Herr Schrot, die Schauspielerin Meryl Streep hält eine flammende Rede gegen Donald Trump, Barack Obama weint zum Abschied und die Bürgerrechts-Ikone John Lewis bleibt der Vereidigung fern. Hat das Establishment Trumps Erfolg noch immer nicht verarbeitet?
Jacob Schrot: Das von Trump so betitelte „Establishment“ ist bis ins Mark erschüttert. Mehr als 60 Kongress-Abgeordnete der Demokraten wollen der Vereidigung fernbleiben, das ist in den USA ein eklatanter Bruch politischer Tradition. Und auch bei den Stars und Sternchen aus Hollywood, die sonst zur Amtseinführung eines Präsidenten kommen, hält sich die Resonanz in Grenzen. All das zeigt beispielhaft, dass der Schockmoment noch nicht verarbeitet ist.
Als Trump „Bild“ und „The Times“ kürzlich ein Interview gegeben hat, erstarren, so scheint es, alle in Ehrfurcht. Die Nato, die deutschen Autobauer, die Bundeskanzlerin. Warum legen die Akteure nicht mehr Gelassenheit und Selbstbewusstsein an den Tag?
Schrot: Dass viele Akteure wie ein Kaninchen vor der Schlange stehen, hat zwei zentrale Gründe. Zum einen hat sich die Tonart radikal verändert. Auf internationalem Parkett hat die rhetorische Brechstange nichts zu suchen. Zum anderen waren wir durch Obama an einen Grundsatz der internationalen Zusammenarbeit gewöhnt, der nun zur Disposition steht.
Trump droht nicht nur deutschen Autobauern Strafzölle an, er hat sich auch über den zu hohen Preis beschwert, den der US-Flugzeugbauer Boeing für die Präsidenten-Maschine verlangt. Nun bekommt er sie billiger. Ist ein Präsident jemals so selbstbewusst gegenüber einzelnen Konzernen aufgetreten? Und wie ernst sollten die deutschen Autobauer die Drohung nehmen?
Schrot: Sehr ernst. Der Präsident kann auf der Grundlage eines Gesetzes aus den 1970er Jahren Zölle per Dekret verhängen und damit bestehende Freihandelsabkommen faktisch aushebeln. Anders als in anderen Politikfeldern hat Trump im Handelsbereich echte Hardliner in die Regierung geholt. Noch wichtiger ist, dass mit ihm ein ganz anderes Denkmodell in das Weiße Haus einzieht. So scheint Trump auch bereit, ökonomisch irrationale Entscheidungen zu treffen, wenn ihm im Zweifel der politische Ertrag für ihn als Person, sein Bild in der Öffentlichkeit, wichtiger sind. Wenn wir erfolgreich mit Trump zusammenarbeiten wollen, müssen wir diese Logik verstehen.
Erklärt das auch, dass sich sein Unmut auch gegenüber US-Konzernen wie Boeing entlädt?
Schrot: Auf jeden Fall. Auch Obama hat sich zwar über Kostenexplosionen beschwert, etwa beim Kampfflieger F-35. Neu ist jedoch, dass Trump politischen Druck nicht in offiziellen Verhandlungen, sondern per Twitter erzeugt. Das ist ein bemerkenswerter Politikstil. Durch eine Nachricht auf dem Kurznachrichtendienst kann Trump Milliarden auf dem Aktienmarkt vernichten. Das nutzt er aus und spielt ganz bewusst damit.
Viele Beobachter hatten erwartet, dass Trump nach seinem Erfolg die Tonlage wechseln würde. Stattdessen hat er kürzlich bei seiner ersten Pressekonferenz seit Monaten wieder Journalisten beschimpft. Bleibt er seiner Rolle als Poltergeist, der auf 140 Zeichen bei Twitter Weltpolitik macht, im Weißen Haus treu?
Schrot: Davon ist auszugehen. Trump hat mit Twitter eine Art Gegenöffentlichkeit geschaffen. Damit kann er die traditionelle Medien umgehen und ungefiltert Politik ohne journalistische Aufbereitung organisieren. Unter taktischen Gesichtspunkten im Wahlkampf war das eine Meisterstück.
Was die Attacken gegen Journalisten betrifft: Trump kann bisher nicht zwischen Dissens in der Sache und Illoyalität an seiner Person unterscheiden. Bei Kritik reagiert er dünnhäutig. Für Übereinkünfte in der Politik bedarf es aber einer gewissen Kompromissbereitschaft, deshalb wird es nicht einfach mit Trump.
Der CDU-Politiker Jens Spahn hat sich diese Woche für einen persönlichen Kontakt zwischen der Bundesregierung und Donald Trump ausgesprochen. Warum ist die Kanzlerin nicht gleich nach der US-Wahl in den Flieger gestiegen und hat mit Trump in Washington Klartext geredet?
Schrot: Das entspricht weder ihrem Stil, noch politischen Gepflogenheiten, denn immerhin ist Obama noch im Amt. Ich mache mir da aber auch keine Sorgen. Die Bundeskanzlerin hat viel Erfahrung im Umgang mit selbstbewussten Männern auf politischer Ebene. Es ist jedoch richtig, dass Europa nach dem 20. Januar sein Gewicht stärker an den Tisch bringen und seine Interessen deutlich härter formulieren muss. Trump reagiert nur auf Stärke.
Der EU sagt Trump aber noch „weitere Austritte“ voraus. Legt er es darauf an, mit solchen Äußerungen die ohnehin angeschlagene EU noch mehr zu schwächen und seine europäischen „Partner“ zu demütigen?
Schrot: Trump hat sich ja nicht nur zur EU geäußert, sondern auch die Nato als „obsolet“ bezeichnet. Trump sieht internationale Kooperation offenbar nicht als eine Form der Zusammenarbeit, von der alle Seiten profitieren, sondern als Nullsummenspiel. Sorgen bereit mir dabei eine nicht völlig unrealistische Spaltung des Westens - auf der einen Seite die USA und Großbritannien, auf der anderen Seite der Rest der Europäischen Union. Es ist kein Zufall, dass die britische Premierministerin Theresa May die erste europäische Regierungschefin war, die mit Trump nach seinem Wahlsieg telefoniert hat. Sollte es tatsächlich zu einer solchen Dynamik kommen, kann sich nur einer freuen: Wladimir Putin. Das muss verhindert werden. Beide Seiten des Atlantiks brauchen eine starke transatlantische Partnerschaft.
Auf internationaler Bühne gibt es keinen, der sich mit Trump ernsthaft anlegt. Wie sieht das in den USA aus? Immerhin ist der mächtige Chef des Repräsentantenhaus, der Republikaner Paul Ryan, kein großer Freund des neuen Präsidenten.
Schrot: Ich bin mir sicher, es wird massive Konflikte mit dem Kongress geben. Im Senat ist die Mehrheit der Republikaner hauchdünn, aber auch im Repräsentantenhaus wird Trump als Präsident nicht durchregieren können. Zahlreiche Republikaner sehen Trumps Positionen, etwa zum Freihandel und auch zu Russland, kritisch. Ich denke, er unterschätzt den Politikbetrieb in Washington. Das war übrigens bei Obama ähnlich, eine der wenigen Parallelen.
Was sind für sie die wichtigsten Erkenntnisse der letzten Monate?
Schrot: Populismus ist kein ausschließlich US-amerikanisches, sondern ein euro-atlantisches Phänomen. Front National, AfD und andere Kräfte zeigen, dass auch wir in Europa unsere Hausaufgaben zu machen haben. Der moralische Fingerzeig nach Amerika ist da wenig hilfreich.
(mz)