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Urteil zur Umgangspflicht Urteil zur Umgangspflicht: Vater muss seinen Sohn nicht besuchen

01.04.2008, 08:14
Ein Vater bringt sein Kind in die Kita. (Foto: ddp)
Ein Vater bringt sein Kind in die Kita. (Foto: ddp) ddp

Karlsruhe/dpa. - Die Mutter des neunjährigen Jungen aus Brandenburg fordertvom leiblichen Vater gelegentliche Besuche bei seinem Kind. Nacheinem Urteil vom Dienstag haben Kinder zwar grundsätzlich eineneigenen Anspruch, ihre anderswo lebenden Eltern zu treffen.Allerdings sei staatlicher Zwang in solchen Fällen «in der Regel»nicht geeignet, eine Beziehung zwischen Eltern und Kindernherzustellen.

In Ausnahmefällen darf das Recht des Kindes auf «Umgang» mitseinen Eltern allerdings doch mit der Androhung von Zwangsgelddurchgesetzt werden. Voraussetzung ist aber, dass dies dem Wohl desKindes dient, entschieden die Karlsruher Richter. Denkbar ist dieslaut Gericht etwa bei Jugendlichen, die psychisch gefestigt sind undausdrücklich den Wunsch äußern, ihren Vater oder ihre Mutter zusehen.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) begrüßte das Urteil:«Es macht deutlich, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt steht», sagtesie in Karlsruhe. Nun müssten die Familiengerichte - im Gespräch mitKindern, Eltern und Sachverständigen - sorgfältig prüfen, ob imEinzelfall ein Umgangszwang für das Kind förderlich sei. CDU-Rechtspolitiker Jürgen Gehb nannte das Urteil «salomonisch undlebensnah». Es wäre töricht zu glauben, ein Gericht könne in solchenFällen eine gedeihliche Beziehung zwischen zwei Menschenherbeiführen.

Der Erste Senat gab einer Verfassungsbeschwerde des Mannes gegenein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg statt, das vorvier Jahren den Anspruch des Jungen auf gelegentliche Besuche seinesVaters durchsetzen wollte und dazu Zwangsgeld bis zu 25 000 Euroangedroht hatte. Der Vater war nach der Affäre zu seiner Ehefrauzurückgekehrt und zahlt Unterhalt für den nichtehelichen Sohn, lehntaber persönliche Treffen ab, um seine Ehe nicht zu gefährden. Das OLGmuss nun erneut entscheiden. Die Karlsruher Richter sehen hierallerdings kaum Spielraum für einen Umgangszwang. (Az: 1 BvR 1620/04vom 1. April 2008)

Nach den Worten der Richter gehört zur Elternverantwortung auchdie Pflicht, sich persönlich um die Kinder zu kümmern und nichtlediglich Unterhalt zu zahlen. Dem Wohl des Kindes komme esgrundsätzlich zugute, wenn es die Möglichkeit erhalte, Vater undMutter kennenzulernen und mit ihnen vertraut zu werden. Der 1998eingeführte eigene Anspruch von Kindern auf Umgang mit den Eltern seidaher verfassungsgemäß. Den Eltern sei - zumindest im Prinzip - einerzwungener Umgang zumutbar.

In der Regel allerdings, so das Gericht, läuft eine zwangsweiseDurchsetzung von Besuchen den Interessen des Kindes zuwider. DerWiderwille des Vaters, seinen Sohn zu sehen, werde vom Kind alsAblehnung seiner Person empfunden. «Dies birgt die große Gefahr, dassdas Selbstwertgefühl des Kindes Schaden nimmt», heißt es in derEntscheidung.

Bei Familienverbänden stieß das Urteil überwiegend auf Zustimmung.Weil ein erzwungener Besuch von Eltern für ein Kind schädlich seinkönne, müsse es alt genug und seine Persönlichkeit stark genug sein,eine mögliche Ablehnung durch die Eltern aushalten zu können, sagtePaula Honkanen-Schoberth, Geschäftsführerin des DeutschenKinderschutzbundes, in Hannover. Georg Ehrmann, Vorsitzender derDeutschen Kinderhilfe, nannte vor dem Hintergrund des Urteils dieDiskussion um die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz«überflüssig». Der Verband der Alleinerziehenden kritisierte, dassdie Rechte des Kindes nur auf dem Papier stünden, aber nichtdurchsetzbar seien.