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UN-Tribunal UN-Tribunal: Milosevic pendelt zwischen Zelle und Gericht

23.05.2003, 08:40
Slobodan Milosevic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag (Foto: dpa)
Slobodan Milosevic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag (Foto: dpa) AP POOL

Den Haag/dpa. - Die Völkergemeinschaft äußerte sich damals «aufs schwerstealarmiert» über die Berichte von schlimmen Massakern und anderenVerbrechen gegen die Menschlichkeit auf dem Balkan. Heute muss sichder damalige starke Mann des Balkans gegen den Vorwurf verteidigen,die Hauptschuld an den blutigen Konflikten zu tragen.

Die Gründer des Tribunals hofften seinerzeit, dass bereits dieDrohung internationaler Strafverfolgung abschreckend wirken undletztlich zum Frieden führen könne. Die Erwartung wurde zunächstenttäuscht, das Morden ging bis 1999 weiter. Es dauerte auch lange,bis ein arbeitsfähiges Tribunal entstanden war und die erstenAngeklagten vor den Richtern erschienen.

Heute ist nicht nur die Anwesenheit von Milosevic Beleg für denErfolg des Bemühens, die Hauptverantwortlichen vor Gericht zubringen. Im Untersuchungsgefängnis befinden sich derzeit 50Angeklagte, 33 weitere werden noch mit internationalen Haftbefehlenverfolgt. Alle sollen an Mord, Folter und Verfolgung entscheidendmitgewirkt haben, etwa als militärische Befehlshaber oder politischeAufwiegler. Zumindest sollen sie Schlimmes nicht verhindert haben,obwohl sie es gekonnt hätten, heißt es in Anklageschriften.

Bisher sind 37 Angeklagte zu Haftstrafen bis zu maximal 46 Jahrenverurteilt worden, die sie in Gefängnissen verschiedener Länderverbüßen. Zwei davon sitzen in Deutschland ein. Neun Angeklagtestehen derzeit in Den Haag vor ihren Richtern.

Chefanklägerin Carla Del Ponte leitet seit 1999 die Ermittlungen.Sie setzte sich für die Auslieferung von Milosevic ein und dringt inden Hauptstädten der früheren jugoslawischen Republiken auf bessereMitarbeit. Vor allem fordert sie die Auslieferung der bosnischenSerbenführer Radovan Karadzic und Ratko Mladic, denen vorgeworfenwird, in den neunziger Jahren eine besonders schlimme Rolle gespieltzu haben.

In der vorigen Woche hatte Del Ponte acht Kartons mit Unterlagenüber mutmaßliche Kriegsverbrecher mittlerer Bedeutung nach Belgradgebracht. Die Erkenntnisse waren als Nebenprodukte bei Ermittlungendes Tribunals gegen «große Fische» angefallen. Mit der Amtshilfe willsie die Behörden im früheren Jugoslawien ermutigen, selbst Verfahrenzur Aufklärung von Kriegsverbrechen einzuleiten. «Ohne Recht kann esauf dem Balkan auf Dauer keinen Frieden geben», mahnt sie.