UN-Konferenz UN-Konferenz: Gipfel Rio+ 20 will nur mal kurz die Welt retten
Rio de Janeiro/MZ. - Es ist mit schätzungsweise 50 000 Teilnehmern die größte UN-Konferenz, die die Welt bisher gesehen hat. Und der Gigantismus unter dem brasilianischen Zuckerhut macht theoretisch auch Sinn. Denn es geht um die Lösung der wichtigsten Zukunftsprobleme: Das Klima droht zu kippen, die Ressourcen werden knapp und die Frage, wie die für 2050 erwarteten bis zu zehn Milliarden Menschen (statt heute sieben) auf der Erde alle ohne Hunger und Armut leben können, ist ungelöst. Nur leider: Dass "Rio+20", wie der Gipfel offiziell heißt, die Kehrtwende bringt, glaubt aber praktisch niemand. Die Gräben sind zu tief.
Fragen der Existenz
"Die Zukunft, die wir wollen", lautet das Motto der Jubiläumskonferenz in Rio, auf der es wenig zu feiern gibt. Im Juni 1992 hatte der legendäre erste Erdgipfel ebenfalls in der brasilianischen Metropole stattgefunden. Es war eine Zeit, die Horizonte öffnete. Der Kalte Krieg, die Hochrüstung in West und Ost, war gerade zu Ende - und statt auf Raketen und Panzer konnte man sich auf die existenziellen Fragen der Menschheit wie Klima und Erhaltung der Biodiversität sowie der nachhaltigen Entwicklung konzentrieren. Tatsächlich wurde in Rio die Blaupause für einen globalen Wohlstand innerhalb ökologischer Grenzen gezeichnet.
Die über 190 Staaten beschlossen damals fünf wegweisende Dokumente. Die "Rio-Deklaration" verankerte 27 Leitlinien zur nachhaltigen Entwicklung, darunter das ökologische Vorsorge- und Verursacherprinzip, Nachhaltigkeit als Schlüssel zur Armutsbekämpfung und die Einbeziehung der Bürger in die politischen Prozesse. Es entstand die Weltklimakonvention, die Grundlage für den Kyoto-Vertrag war, außerdem die Artenschutzkonvention und eine Vorlage zum Kampf gegen die Wüstenbildung. Die "Agenda 21" dann beschrieb auf 700 Seiten detailliert, was in allen wichtigen Feldern - von Stadtentwicklung über Waldschutz bis Bildung zu tun sei.
Es war in der Tat ein legendärer Gipfel. Von George Bush senior über Fidel Castro bis Helmut Kohl kamen alle, um die bessere Zukunft zu beschwören. Rund 130 Staatschefs versammelten sich um einen riesigen runden Tisch im Konferenzzentrum Riocentro und stießen beim Dinner auf den "Geist von Rio an". Ungewöhnliche Zeiten: Sogar jemand wie Alt-Kommunist Castro erhielt Applaus, etwa für seine Sentenz: "Eine bedeutende biologische Spezies ist wegen der schnellen und fortschreitenden Vernichtung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen vom Aussterben bedroht: der Mensch."
Zwanzig Jahre später könnte Castro das wieder sagen. Nur ist die Lage noch dramatischer geworden. Der Rio-Aufbruch von 1992 versandete nach wenigen Jahren. Im reichen Norden avancierte der Neoliberalismus zur Leitideologie, und der Süden, von China über Südafrika bis Brasilien, sah das Heil darin, das ressourcenverschlingende Entwicklungsmodell des Nordens zu kopieren.
Und nun "Rio plus 20". Den Initiatoren bei den UN ging es nicht um Nostalgie, sondern darum, endlich einen Weg zur Umsetzung der schon im Jahr 1992 erkannten grünen Prinzipien zu finden. Der Nachfolgegipfel müsste auf drei Ebenen Fortschritte bringen. Er soll eine die Umwelt schonende Wirtschaft zum Standard machen, die auf Öko-Energien, Ressourceneffizienz und Recycling setzt ("Green Economy"), außerdem konkrete Nachhaltigkeitsziele aufstellen (Sustainable Development Goals) und die Stärkung des UN-Umweltprogramms Unep in Nairobi beschließen (siehe "Die Knackpunkte"). Die Vorverhandlungen in Rio zeigen aber, dass das alles andere als einfach wird. Brasilien als Gastgeber hat jetzt den Entwurf einer Gipfel-Deklaration vorgelegt, die mehr mit Ökolyrik glänzt als mit konkreten Zielen zur Umsetzung der grünen Ziele.
Ohne die Kanzlerin
Die nächsten Tage in Rio versprechen dennoch genügend Spannung, weil die inzwischen angereisten Fachminister und dann die Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerländer noch weiter verhandeln werden. "Wenn nur das beschlossen würde, was jetzt auf dem Tisch liegt, wäre es beschämend", sagte ein Mitglied der deutschen Rio-Delegation der Mitteldeutschen Zeitung. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) allerdings wird das Ergebnis wohl eher nicht beeinflussen können. Sie hat ihre Teilnahme in Rio abgesagt.