Umzug Bonn-Berlin Umzug Bonn-Berlin: «Ich mag keine neudeutsche Flottigkeit»

BONN/MZ. - Herr Blüm, sie haben vor zwanzig Jahren im Bundestag für Bonn als Regierungssitz gestritten.
Blüm: Ich war der erste Redner.
Fühlen Sie sich heute bestätigt? Oder schämen Sie sich?
Blüm: Von schämen kann keine Rede sein. Aber entschieden ist entschieden. Die Mehrheit war nicht auf der Bonner Seite. Und ich bin ein guter Demokrat. Ich akzeptiere das.
Es ging damals im Bundestag sehr heiß her. Ist Ihnen das in besonderer Erinnerung geblieben?
Blüm: Das war eine außergewöhnliche Sitzung mit großen Emotionen. Das Ergebnis war knapp. Aber Mehrheit ist Mehrheit. Und ich spiele ein Spiel nicht gerne weiter, wenn der Schiedsrichter abgepfiffen hat.
Jetzt sagen aber viele: Es wird Zeit, die Regierung komplett nach Berlin zu holen.
Blüm: Darauf reagiere ich empfindlich. Denn die Mehrheit ist zustande gekommen, und zwar knapp, weil Bonn Bundesstadt bleiben sollte. Und so haben wir nicht gewettet, dass man erst mal mit dem Argument, Bonn wird Bundesstadt, Stimmen für Berlin sammelt und dann "April, April" sagt. Da halte ich es mit dem alten Satz "Pacta sunt servanda" - Verträge sind einzuhalten. In Zeiten der Informatik räumliche Distanzen für Hindernisse zu halten, das halte ich für provinziell.
Und die Kosten?
Blüm: Da gibt es unterschiedliche Rechnungen. Ich bin jedenfalls nicht sicher, dass die Kosten des Umzugs geringer sind als die Kosten der Trennung.
Aber Bonn stinkt doch vor Geld! Die Stadt kann doch auch ohne die Ministerien gut leben.
Blüm: Beschluss ist Beschluss. Und ich erwarte, dass die Gewinner auch den Teil des Beschlusses akzeptieren, der ihnen nicht schmeckt. Sonst können wir in Zukunft keine Beschlüsse mehr machen. Etwas anderes hat Bonn auch nicht verdient. Denn mit Bonn verbindet sich die bis dahin glücklichste Zeit unserer demokratischen Tradition. Die "Bonner Republik" war die friedlichste Zeit der letzten 100 Jahre. Ich hoffe, dass sie auch in Berlin nie zu Ende geht. Bonn steht nicht für Nationalismus, sondern für Deutschland in Europa. Ohne Deutschland in Europa hätten wir Berlin nicht als Hauptstadt bekommen. Dann wäre Deutschland heute noch gespalten.
Ist die "Berliner Republik" eine andere als die Bonner?
Blüm: Ich glaube jedenfalls nicht, dass die Welt noch eine große Sehnsucht hat nach nationalen Metropolen. Das ist im Zeitalter der Globalisierung endgültig vorbei. Der Reichtum Deutschlands liegt in seinen vielen Residenzen. Wir sind kein Zentralstaat - Gott sei dank nicht. Wir sind unserer ganzen Tradition nach eine föderale Kultur. Und da hab ich es nicht gern, wenn so eine neudeutsche Flottigkeit entsteht nach dem Motto: Wer mitspielen will, der muss in Berlin sein.
Was gefällt Ihnen in Berlin besser als in Bonn?
Blüm: Berlin ist eine liebenswerte Weltstadt.
Und was ist Bonn?
Blüm: Mit Bonn verbindet sich für mich ein hohes Maß an rheinischer Gelassenheit und Liberalität - ohne jede Hochnäsigkeit. Der Satz "Uns kann keener" käme keinem Bonner über die Lippen.