1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Umweltgesetzbuch tot - Jetzt drohen Rückschritte

Umweltgesetzbuch tot - Jetzt drohen Rückschritte

02.02.2009, 09:46

Berlin/dpa. - Nach dem Scheitern des Umweltgesetzbuches befürchten Umweltverbände einen Rückschritt beim Umwelt- und Naturschutz in Deutschland. Mittel- und langfristig drohe «die Erosion bereits erreichter Standards», kritisierte Cornelia Nicklas von der Deutschen Umwelthilfe.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte vor einem Wettlauf der Länder bei der Senkung von Umweltstandards. Spätestens ab 2010 ermögliche die Föderalismusreform den Ländern, von bundeseinheitlichen Regeln im Wasser- und Naturschutzrecht abzuweichen.

Die CDU sieht noch Chancen dafür, ein endgültiges Scheitern des Umweltgesetzbuches abzuwenden. Man solle noch einen letzten Versuch wagen, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger am Montag vor einer Präsidiumssitzung seiner Partei in Berlin. Bei gutem Willen aller Beteiligten könne es noch eine Lösung geben. Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) warf Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, für ein Scheitern verantwortlich zu sein. Wenn es aber für die Länder die Möglichkeit gebe, von Regelungen abzuweichen, halte er eine Einigung noch für denkbar. Das Umweltgesetzbuch soll das Umweltrecht bündeln und vereinfachen.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hatte das Gesetzgebungsverfahren am Sonntag gestoppt, weil Bayern die Pläne weiter ablehnt. SPD und Union machten sich gegenseitig für das Scheitern verantwortlich. Das seit Jahrzehnten verfolgte Projekt sei «an dumpfem Reformunwillen und blinder Blockadepolitik der Union gescheitert», sagte Gabriel. Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) warf Gabriel Sturheit vor. «Wir wollen gemeinsame Umweltstandards, aber keine Monster-Bürokratie. Der Bundesumweltminister ist an seinem eigenen Übereifer gescheitert.»

Hauptstreitpunkt ist eine Genehmigung von Industrieanlagen aus einer Hand. Diese «Integrierte Vorhabengenehmigung» lehnt die Union und insbesondere die CSU ab. Baden-Württembergs Umweltministerin Gönner rief Gabriel auf, einen letzten Versuch einer Einigung zu starten. «Bei so einem zentralen Vorhaben, muss man bis zuletzt die Tür offen halten», forderte sie am Sonntag in Stuttgart. Baden-Württemberg hatte beim Umweltgesetzbuch die Federführung der Länderarbeitsgruppe.

Gabriel (SPD) will die Änderungen im Wasser- und Naturschutzrecht per Einzelgesetz durchsetzen. Das kündigte er am Montag in der Sendung «Radiowelt am Morgen» des Bayerischen Rundfunks an. Er werde die entsprechenden Neuregelungen als Einzelgesetze einbringen, damit man wenigstens die geforderten Umweltgesetze verabschieden könne. Für kleinere und mittelständische Unternehmen könne man aber wegen der Weigerung der Union in dieser Wahlperiode nichts mehr tun.

SPD-Fraktionschef Peter Struck kritisierte am Sonntagabend in der Sendung «Bericht aus Berlin» der ARD Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU): «Ganz offenbar hat sich Herr Seehofer gegenüber Frau Merkel durchgesetzt.» Auf die Frage, ob die Kanzlerin ein Machtwort sprechen müsse, antwortete Struck: «Das erwarte ich schon.» Der SPD-Politiker betonte: «Es gibt keine rationalen Gründe, gegen dieses Umweltgesetzbuch zu sein.» SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber sieht das «System Merkel am Ende». Der Kanzlerin sei «kein Thema richtig wichtig, alles ist strategisch, und am Ende kämpft sie nicht», sagte Kelber dem «Tagesspiegel».

Die Deutsche Umwelthilfe sieht das Scheitern der Pläne als Beleg für die partielle Regierungsunfähigkeit der großen Koalition. Die Regierung von Merkel scheitere regelmäßig an den fundamentalen Widersprüchen der sie tragenden Parteien, wenn es um die Zukunft Deutschlands gehe, sagte der Bundesgeschäftsführer Rainer Baak. «Die Problemlösungskompetenz der großen Koalition reicht immer nur bis zur nächsten Straßenecke.»

Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) begrüßte das Scheitern der Verhandlungen. Der zuletzt diskutierte Entwurf für ein solches Gesetz hätte nicht die erklärten Ziele erreicht, weniger Bürokratie und vereinfachte Verfahren im Umweltrecht zu schaffen, sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Montag). «Es drohte ein fauler Kompromiss.» Sander zeigte Verständnis für die ablehnende Haltung Bayerns: «Es ist gut, dass mal jemand Klartext redet.»

Die Linksfraktion im Bundestag sprach ebenfalls von einem «Startschuss für einen Wettbewerb um die niedrigsten Umweltstandards der Länder». Ihr naturpolitischer Sprecher Lutz Heilmann erklärte zudem, Umweltminister Gabriel hinterlasse einen «umweltpolitischen Scherbenhaufen».