1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Um die Fahndungsbilanz aufzubessern: Um die Fahndungsbilanz aufzubessern: Berliner Polizisten zeigen unschuldige Obdachlose an

EIL

Um die Fahndungsbilanz aufzubessern Um die Fahndungsbilanz aufzubessern: Berliner Polizisten zeigen unschuldige Obdachlose an

Von Lutz Schnedelbach 09.11.2014, 19:20
Das Schulterabzeichen eines Bundespolizisten
Das Schulterabzeichen eines Bundespolizisten dpa Lizenz

Berlin - Beamte der Bundespolizei sollen unschuldige Obdachlose im Ostbahnhof und im Hauptbahnhof widerrechtlich angezeigt haben. Mit dieser Praxis wollten sie die Erfolgsbilanz ihrer Inspektionen beschönigen. Die Polizisten hofften damit auf eine schnellere Beförderung. Die Bundespolizei bestätigte am Sonntag die Vorwürfe gegen die Mitarbeiter. Der Spiegel hatte darüber in seiner neuesten Ausgabe berichtet. Mittlerweile ermittelt das Landeskriminalamt gegen drei Verdächtige aus der Inspektion Ostbahnhof, weil sie unter anderen Unschuldige verfolgt haben sollen. Bei den Anzeigen ging es mal um angebliche Sachbeschädigung, mal um angeblichen Diebstahl einer Rangelei oder um eine Aufenthaltsermittlung eines Obdachlosen. Auch sollen Ausländer beschimpft und beleidigt worden sein.

Erbitterter Wettkampf zwischen den Inspektionen

Die Zahl der Anzeigen stieg enorm an. Nach der Zahl wurde die Arbeit der Inspektion im Hauptbahnhof und im Ostbahnhof gemessen. Beide Inspektionen hätten sich einen erbitterten Wettkampf geliefert, sagen Insider. Umso mehr Anzeigen, desto erfolgreichere Arbeit, hieß das Motto. Und umso erfolgreicher die Arbeit, desto größere Chancen für beruflichen Aufstieg. Jeder wollte der Beste sein, sagen Beamte. So berichteten Mitarbeiter, dass Polizisten sich versteckten, um Raucher zu überführen und sie anzuzeigen.

Das brachte allerdings keine Punkte in der Statistik. Die drei jetzt vom Dienst freigestellten Männer, Torsten S. (49), Olaf G. (53) und Stefan L. (46) sollen sich der stetigen Steigerung der Anzeigen besonders verschrieben haben. Einer von ihnen schweigt. Die beiden anderen haben zum Teil gestanden. Dabei soll einer der Verdächtigen über die Zielvorgabe berichtet haben. So erfuhren die Ermittler, dass Obdachlose wegen Hausfriedensbruchs angezeigt wurden, obwohl sie den Bahnhof nicht betreten hatten und vor dem Bahnhof die Bundespolizei nicht zuständig ist.

Zielvorgaben sind verboten

Die Zielvereinbarung hatte der Chef der Direktion Berlin, Thomas Striethörster, im Frühjahr vergangenen Jahres ausgegeben. Er ignorierte, dass sein Vorgesetzter, Bundespolizeipräsident Dieter Romann, bereits im Januar 2013 verboten hatte, Zielvorgaben für die Anzahl der Fahndungserfolge zu erstellen. Am 8. Juli 2014 wurde bekannt, dass diese Entscheidung nicht befolgt wird. Romann reagierte prompt: Er nannte es absurd, vorzugeben, wie viel Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu passieren haben, und informierte das Landeskriminalamt. Fachleute gehen allerdings davon aus, dass es schwer sein wird, die echten Anzeigen von den gefälschten zu unterscheiden und vor allem nachzuweisen.