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TV-Duell TV-Duell: Ist die Wahl schon gelaufen?

Von Daniela Vates 04.09.2017, 15:45
Der Ort, an dem sich Merkel und Schulz mit einiger Wahrscheinlichkeit wiedertreffen, ist der Kabinettstisch.
Der Ort, an dem sich Merkel und Schulz mit einiger Wahrscheinlichkeit wiedertreffen, ist der Kabinettstisch. dpa

Berlin - Mitten drin in der Fernseh-Debatte mit Angela Merkel hat sich Martin Schulz Hilfe von außen geholt. Nicht bei Willy Brandt oder Helmut Schmidt oder sonstigen sozialdemokratischen Ikonen, sondern bei einem schiitischen Gelehrten.

Man sprach gerade über den Islam und Schulz zitierte den Gelehrten mit dem Satz: „Jenseits von richtig und falsch gibt es einen Ort, dort treffen wir uns.“ Eigentlich, so behauptete der SPD-Kanzlerkandidat, habe er sich das Zitat für den Schluss aufbewahren wollen. Tatsächlich hätte er die Debatte damit ganz gut zusammengefasst. Der Ort, an dem sich Merkel und Schulz mit einiger Wahrscheinlichkeit wiedertreffen, ist der Kabinettstisch. Das Jenseits ist ein sehr diesseitiges, ein sehr naheliegendes.

SPD und CDU mit großen Schnittmengen

Im Wahlkampf sind Merkel und Schulz Konkurrenten. Aber schlecht verstehen sie sich nicht. Und das liegt nicht daran, dass beide Kandidaten in der wohl kuriosesten Situation der Fernsehsendung erklärten, zwar am Sonntagmorgen nicht in der Kirche gewesen zu sein, wohl aber beide am Wochenende bei Totengedenken.

Es liegt daran, dass die beiden Volksparteien ohnehin große Schnittmengen haben. Es liegt an der Bereitschaft beider, aufeinander zuzugehen.

„Frau Merkel hat recht“, war im TV-Duell ein beliebter Satz des sonst angriffslustigen Schulz. Und die Kanzlerin nickte wiederholt zufrieden, wenn ihr Gegner die Weltlage erklärte. Der Frage, ob er als Juniorpartner in eine große Koalition gehen würde, wich Schulz aus. Merkel sagte, dass sie nur mit AfD und Linkspartei nicht regieren wolle.

Viele kleine Parteien begünstigen eine große Koalition

Es kann also sein, dass die dann dritte Neuauflage einer CDU/CSU-SPD-Regierung unter Merkel bevor steht, auch wenn sich die Regierungspartner voneinander erschöpft zeigen. Auch wenn neue Konstellationen mit Sicherheit frische Ansätze hervorbringen würden. Auch wenn ein Zusammenschluss der beiden Großen als erdrückender, Vielfalt verhindernder Koloss gilt.

Aber in der Regierungszeit der großen Koalition ist auch Vielfalt entstanden. Die FDP, die sich durchs Regieren klein gemacht hat, hat wieder zu Kraft gefunden. Die AfD ist erstarkt. Es gehört zu den Absurditäten der politischen Entwicklung, dass ausgerechnet der Zuwachs an Oppositionsparteien das Bündnis der beiden Volksparteien verlängern kann – weil es für stabile Bündnisse aus großen und kleinen Parteien einfach nicht reicht. Und Merkel muss als Koalitionspartner immer auch noch die so wenig pflegeleichte CSU mitdenken.

Schulz mir Ambitionen zum regieren

Die Union ist ja an sich schon eine Zweierbündnis mit ständigem Kompromissbedarf. Ein weiterer Partner lässt sich da noch ganz gut machen, mit zwei weiteren – mit Grünen und FDP zusammen – würden Beschlussfassungen erheblich mühsamer.

Die große Pragmatikerin Merkel jedenfalls wird gegen eine große Koalition so richtig viel nicht haben, Auf der anderen Seite springt Schulz seine Lust am Mitregieren aus allen Poren. Und wenn es darum geht, ob man als Oppositions- oder als Regierungspartei weiter vor sich hindümpeln sollte - durchsetzen kann man als Regierungspartei allemal mehr.

SPD holt Umfragerückstand auf

Oder ist das Fernsehduell, das einzige Zusammentreffen der beiden Konkurrenten ums Kanzleramt, doch der Wendepunkt in diesem Wahlkampf, so wie es die ins Hintertreffen geratene SPD gern sehen möchte? Folgt nun der nächste wundersame Aufstieg des Martin Schulz, aus dem Fernsehstudio ins Zentrum der Macht sozusagen?

Eher nicht. Selbst wenn Schulz und die SPD nun den Umfragerückstand etwas aufholen, wie das auch schon nach den Fernsehduellen der letzten Bundestagswahlkämpfe der Fall war:  Besonders wahrscheinlich ist es nicht, dass der Wahlsieger am 24. September Martin Schulz heißen wird.

Der Abstand zwischen Union und SPD in den Umfragen ist groß und so ein erster Platz kann einen Sog auf die entwickeln, die gerne bei den Gewinnern sein wollen. Außenpolitische Krisen, die sich jederzeit noch entwickeln können, mehren gewöhnlich den Kanzlerbonus, weil sie eine Sehnsucht nach Stabilität auslösen und die Lust auf neue Wege verringern.

Beide Punkten bei unentschlossenen Wählern

Und Merkel hat einen weiteren Vorteil: Schulz hat sich bei dem TV-Duell zwar gut geschlagen. Aber Merkel stand in den Umfragen als Siegerin da, auch wenn der Anteil derer, die sie im Vorteil sahen, im Vergleich zu den Vor-Sendungs-Umfragen geschrumpft war. Bei den unentschlossenen Wählern konnten beide punkten.

Interessant allerdings sind zwei Punkte: die offenkundige Nervosität, mit der Merkel in das TV-Duell zog. Und das ostentative Abwiegeln des Unions-Lagers, in dem man nicht müde wird zu betonen, dass die Wahl ja noch nicht gewonnen sei. Dass es wichtig sei, die allerletzte der Entscheidungswellen zu erwischen.

Merkel will Umfrage–Einbruch über den Sommer verhindern

Knapp drei Wochen sind es nun noch bis zur Bundestagswahl am 24. September. Die Union hat die Erfahrung gemacht, dass zu große Selbstsicherheit ein Hindernis ist, über das Favoriten straucheln können. Helmut Kohl hat das 1998 erfahren, als er sich für unbesiegbar hielt und abgewählt wurde. Und auch Merkel kennt das Gefühl: Bei ihrer ersten Wahl 2005 schrumpfte ihr Umfragevorsprung über den Sommer in Rekordzeit. Gelangt hat es für Merkel allerdings auch damals noch.