Turkmenistan Turkmenistan: Des Zahnarzt des Diktators beißt sich durch

Moskau/Aschchabad/dpa. - Seit dem Toddes Turkmenbaschi («Führer aller Turkmenen») vor gut einem Jahr weht aber ein frischer Wind vom Ostufer des Kaspischen Meeres.
Der neue Machthaber Gurbanguly Berdymuchammedow (50), Nijasowsfrüherer Zahnarzt, preist sein Land als Energielieferanten mitgewaltigen Reserven an. Politiker aus Russland, China und der EUgeben sich in der Hauptstadt Aschchabad die Klinke in die Hand. Nach einem Jahr im Amt fällt die Bilanz Berdymuchammedows, der am 14. Februar 2007 vereidigt worden war, gemischt aus.
Der neue Mann an der Spitze hat mit den ärgsten Schrullen desRegimes aufgeräumt. «Berdymuchammedow hat das Land zwar aus derIsolation geführt. «Aber zugleich übernahm die neue Führung vielesvon der alten Diktatur», urteilt die Zentralasien-Expertin ViktoriaPanfilowa von der Moskauer Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta». Derpausbäckige Politiker mit dem strengen Seitenscheitel sieht seinemVorgänger so ähnlich, dass im postsowjetischen Raum das Gerüchtumgeht, er sei ein unehelicher Sohn des verstorbenen Nijasow.
In der Hauptstadt stehen noch immer die riesigen, vergoldetenNijasow-Statuen. «Aber auf den großformatigen Fotos ist in derÖffentlichkeit nun der neue Präsident zu sehen», berichtet einausländischer Geschäftsmann in Aschchabad. Die Euphorie vielerTurkmenen sei nach einem Jahr mit Berdymuchammedow verflogen. Dieversprochenen Reformen blieben noch Stückwerk.
In den Schulen ist das Unterrichtsverbot für Mathematik undFremdsprachen aufgehoben. Auch die Kultur kommt wieder zu ihremRecht. Aus den berüchtigten Gefängnissen sollen 14 politischeGefangene, darunter ein islamischer Rechtsgelehrter, freigelassenworden sein. «Ich betrachte die Verteidigung der Menschenrechte unddie Freiheit des Einzelnen als meine Hauptaufgabe», versprach derPräsident. Das Schicksal Hunderter anderer Regimegegner hinterGittern bleibt aber unklar.
Generell gibt es weiterhin nur wenige verlässliche Informationen,die nach außen dringen. Turkmenistan bleibt auch unter dem früherenGesundheitsminister Berdymuchammedow das verschlossenste GUS-Land.
Der Zahnarzt des Diktators galt vielen als Marionette der altenMachtclique. Doch Berdymuchammedow setzte gleich Akzente. So wurdeneinflussreiche Günstlinge Nijasows ins Gefängnis geworfen oder in dieWüste geschickt. In orientalischer Tradition soll BerdymuchammedowSpitzenämter mit Verwandten und Gefolgsleuten besetzt haben.
Beim Erdgaspoker hält der Herrscher der Turkmenen die Trümpfe inder Hand. Ende 2007 machte EU-Energiekommissar Andris Piebalgs inAschchabad seine Aufwartung, nachdem Berdymuchammedow zuvor EU undNATO in Brüssel besucht hatte. Die Europäer wollen ihre Abhängigkeitvon Russland verringern. Anfang Februar stieg der deutscheEnergiekonzern RWE beim Gaspipeline-Projekt Nabucco ein. Demnächstwird Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in Turkmenistanerwartet.
Der Kreml drängt die Turkmenen, mehr Gas nach Russland zu pumpen.Die Chinesen finanzieren eine erste Pipeline in Richtung Osten. Esbleibt fraglich, ob da überhaupt noch genug für die Europäer übrigbleibt. Berdymuchammedow findet Gefallen daran, anderen seine Regelnzu diktieren. Zuletzt unterbrach Turkmenistan die Lieferungen an denIran, angeblich wegen zu niedriger Preise.
Die größte Herausforderung für Berdymuchammedow bleibt die Armutin der Bevölkerung. Während in der Hauptstadt Marmorpaläste wie Pilzeaus dem Boden schießen, lebt die Landbevölkerung noch wie im 19.Jahrhundert. Der kälteste Winter seit 40 Jahren brachte das Elendzutage. Obwohl Turkmenistan mit Öl und Gas gesegnet ist, starben nachAngaben der Opposition Dutzende Menschen den Kältetod. Auch mehrereGrenzsoldaten sollen auf ihrem Posten erfroren sein.