Türkei-Referendum Türkei-Referendum: Erdogan weist Vorwürfe zurück - Weiterhin Proteste gegen Ergebnis

Istanbul - Nach seinem umstrittenen Sieg beim Referendum in der Türkei hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan dementiert, dass er sein Land in eine Diktatur führe.
„Haben wir nicht Wahlurnen? Die haben wir“, sagte Erdogan dem Sender CNN in einem in der Nacht zu Mittwoch ausgestrahlten Interview. „Wenn Sie sagen, dass die Wahlurne einen Diktator produziert, dann wäre das eine große Grausamkeit und Ungerechtigkeit gegenüber der Person, die gewählt wird. Gleichzeitig wäre das auch eine große Respektlosigkeit gegenüber denjenigen, die an der Wahlurne ihre Wahl treffen. Woher bezieht die Demokratie ihre Macht? Vom Volk.“
„Wichtig ist, das Spiel zu gewinnen.“
Erdogan wurde in dem Interview gefragt, was er Kritikern entgegne, die ihm einen „Marsch in die Diktatur“ vorwerfen. Diese Kritiker erhöben diesen unberechtigten Vorwurf seit Jahren, sagte er.
Zu dem knappen Vorsprung bei dem Referendum über Präsidialsystem vom Sonntag zog Erdogan eine Parallele zum Fußball und sagte, nur das Ergebnis zähle: „Wichtig ist, das Spiel zu gewinnen.“
Präsidialsystem nicht auf Erdogan zugeschnitten
Erdogan betonte, das Präsidialsystem, das ihn mit deutlich mehr Macht ausstattet, sei nicht auf seine Person zugeschnitten. „Das ist kein System, das Tayyip Erdogan gehört. Ich bin sterblich, ich könnte jeden Moment sterben.“
Weiterhin Proteste gegen Ergebnis des Referendums
In mehreren Städten der Türkei protestierten unterdessen Tausende gegen den Ausgang des Referendums.
Die Demonstranten versammelten sich am Montagabend unter anderem in der Metropole Istanbul, der Hauptstadt Ankara, dem westtürkischen Izmir und dem zentraltürkischen Eskisehir. Im Istanbuler Stadtteil Besiktas skandierten die Demonstranten unter anderem „Dieb, Mörder, Erdogan“, berichtete eine dpa-Reporterin. Sie warfen der nationalen Wahlkommission (YSK) unter anderem vor, „parteiisch“ zu sein.
Wahl nicht fair abgelaufen
Umstritten ist bei den Gegnern des Präsidialsystems vor allem eine Entscheidung der Wahlkommission von Sonntag, wonach auch nicht verifizierte Stimmzettel und Umschläge als gültig gezählt wurden. Die Wahl sei nicht fair abgelaufen und das Ergebnis nicht legitim, so die Kritik.
Zivilgesellschaftliche Organisationen hatten zu den Protesten aufgerufen. Bei den Protesten waren Zivilpolizisten anwesend, in Besiktas kreiste ein Polizeihubschrauber über den Köpfen der Demonstranten, die diesen ausbuhten. Zu Zusammenstößen kam es zunächst nicht.
Nach vorläufigen Wahlergebnissen stimmten am Sonntag 51,4 Prozent der Türken für die Einführung eines Präsidialsystems. In den drei größten Städten des Landes, Istanbul, Ankara und Izmir überwogen die Gegner des Systems. (dpa)