Tschechien Tschechien: Angebliche Atombombe kam bis ins Fernsehen
Prag/dpa. - Am 17. Juni 2007 war es ihnen gelungen, Bilder einervermeintlichen Atombombenexplosion im Riesengebirge ins tschechischeFrühstücksfernsehen einzuspeisen. Die Richterin sagte am Dienstag zurBegründung, niemand sei im Sommer vergangenen Jahres in Panikversetzt worden, daher sei der Tatbestand nicht erfüllt. DerStaatsanwalt hatte gefordert, die Angeklagten zu 200 Stundengemeinnütziger Arbeit zu verurteilen. Er kann das Urteil nochanfechten.
Das nordböhmische Bezirksgericht in Trutnov hätte für den Scherzeine Geldstrafe gegen die Aktionskünstler aussprechen oder sie zueiner Haftstrafe von bis zu drei Jahren verurteilen können. Doch dieAngeklagten kamen ungeschoren davon. «Wir sind alle sehr glücklich»,sagte Gruppenmitglied David Brudnak.«Wie kann man von Panikmache sprechen, wenn sich nicht eine einzigePerson erschreckt hat?» Dutzende Fans hatten die Angeklagten aufihrem Weg ins Gericht begleitet. Zuvor hatte die Künstlergruppeerklärt, ihre Aktion solle die Menschen dazu bringen, Medieninhalte kritisch zu hinterfragen. «Wir wollten niemanden erschrecken», sagteMatej Hajek, Mitglied der Gruppe, nach Angaben der tschechischenNachrichtenagentur CTK zum Auftakt des Prozesses. Doch was genau wareigentlich geschehen?
Der 17. Juni 2007 fängt an wie ein gewöhnlicher Sonntag: Pfarrerbereiten sich auf ihre Predigt vor, Familien frühstücken, Taxifahrerkommen von der Nachtschicht nach Hause. In vielen Wohnungen läuft wieüblich auf dem Fernsehschirm das Morgenprogramm des zweitenstaatlichen Kanals. Um kurz nach acht wird - wie immer - zu denAußenkameras geschaltet, die im ganzen Land verteilt sind, um einenBlick aufs Wetter zu werfen.
Das Riesengebirge im Morgennebel, ein beruhigender Anblick.Plötzlich ein Riesenblitz, Rauch, die Kamera macht einen Schwenk, undvor der idyllischen Silhouette wächst ein Atompilz in den Himmel, inder linken Ecke der Mattscheibe eingeblendet ist dazu dieInternetadresse www.ztohoven.com. Haben Terroristen angegriffen, istKrieg ausgebrochen? Schnell klärt sich die Situation: Falscher Alarm,zugeschlagen hat einmal mehr jene Künstlergruppe, deren Name einWortspiel ist und übersetzt, je nach Betonung, in etwa «Raus vonhier» oder auch «tausendmal Scheiße» bedeuten kann.
Der Gruppe war es gelungen, sich zwischen die ferngesteuerteKamera und das Sendezentrum zu schalten und so ihre vorbereite,realistisch wirkende Animation live ins Fernsehen zu senden. «UnsereGruppe hat das Territorium von Medien und Fernsehen überfallen undklagt so deren Wirklichkeit sowie Glaubwürdigkeit an», schrieb dieGruppe anschließend auf ihrer kargen Internetseite.
Der Psychologe Jan Lasek sagte laut CTK vor Gericht, dass derAtompilz kaum dazu geeignet gewesen sei, jemanden zu erschrecken. «Eshat mich nicht dazu gebracht, eine Notunterkunft aufzusuchen.» ZdenekKraus, Bürgermeister des Ortes Cerny Dul, der in der Nähe dermanipulierten Kamera liegt, sagte, die Einwohner hätten keine Angstgehabt. «Uns haben Reporter informiert.» Beim tschechischen Fernsehenhabe es nur einige Dutzend Anrufe gegeben, hatte ein Sprechererklärt. Verbreitet wurde der Scherz vor allem durch Berichte in denMedien.
Ztohoven hatte in mindestens zwei anderen Fällen bereits Aufsehenerregt: Einmal ersetzte die Gruppe mehrere Ampelmännchen in Pragdurch biertrinkende, pinkelnde oder auch schlafende Figuren. An demtschechischen Heiligtum, der Prager Burg, tauschten sie die Neonherz-Installation des Bildhauers Jiri David kurzerhand gegen einFragezeichen aus.
Noch im Dezember war Ztohoven der staatliche Nachwuchspreis «NG33» in der Prager Nationalgalerie verliehen worden. Die Auszeichnungund das Preisgeld von 330 000 Kronen (12 644 Euro) nahm der Anwaltentgegen, die Künstler waren vorsichtshalber untergetaucht.