Transparency International Transparency International: Lobby schreibt Gesetze selbst
Berlin/MZ - Die Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Edda Müller, fordert ein schärferes Vorgehen gegen Korruption auch hierzulande. Zwar rangiert die Bundesrepublik im jetzt veröffentlichten Korruptionswahrnehmungsindex, der 177 Länder umfasst, auf einem mittleren Platz. Gleichwohl seien entschlossenere Gegenmaßnahmen nötig, sagte Müller. So müsse „der Einfluss von Lobbygruppen auf Gesetzentwürfe offen gelegt werden“. Die Bürger müssten wissen, wer an welchem Paragrafen mitgeschrieben habe.
Bei einer ganzen Reihe von Gesetzentwürfen aus der Vergangenheit seien Belange unterschiedlicher Akteure nur sehr einseitig berücksichtigt worden. Bei der Energiewende beispielsweise seien die Interessen der Verbraucher in der Regel unter den Tisch gefallen. Der Einfluss der Verbände werde immer schwächer, während der Einfluss bezahlter Interessenvertreter immer stärker werde, so die Vorsitzende. Diese Interessenvertreter seien häufig Anwaltsbüros, die im Auftrag von Unternehmen bestimmte Formulierungen in Gesetze hineinbrächten. „Das haben wir im Moment sehr stark im gesamten Bereich des Bankensektors“, erklärte Müller.
Zudem warnte sie vor dem sogenannten Drehtüreffekt, also dem schnellen Wechsel von Spitzenpolitikern in die Wirtschaft. Hier sei die Einführung einer dreijährigen Karenzzeit erforderlich. Erst kürzlich hatte der Fall des früheren Kanzleramtsministers Eckart von Klaeden (CDU) für Aufsehen gesorgt. Er ist neuerdings als Lobbyist für den Automobilkonzern Daimler tätig. Die Justiz prüft derzeit, ob und in welchem Umfang von Klaeden schon während seiner Zeit im Kanzleramt mit Vorgängen befasst war, die die Automobilindustrie betreffen.
Der Index der Korruptionswahrnehmung setzt sich aus verschiedenen Expertenbefragungen zusammen und misst die bei Politikern und Beamten wahrgenommene Korruption. Deutschland erreicht danach auf einer Skala von Null (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) 78 Punkte und rangiert damit auf dem 12. Platz. Im europäischen Vergleich belegen Dänemark (91 Punkte), Finnland (89) und Schweden (89) die vordersten Plätze. International reiht sich außerdem Neuseeland (91 Punkte) in die Gruppe der Spitzenreiter ein.
Griechenland ist mit 40 Punkten 2013 erneut das am schlechtesten bewertete Land in der EU. Für Italien ist Korruption ebenfalls ein deutliches Problem. Es kam mit 43 Punkten auf Platz 69, den es sich mit Kuwait und Rumänien teilt. Griechenland hat im Kampf gegen die Schuldenkrise allerdings auch Fortschritte auf dem Feld der Korruptionsbekämpfung gemacht, während Spanien im selben Zeitraum deutlich an Boden verlor. So verbesserte sich Griechenland von Rang 94 auf Rang 80. Spanien hingegen fiel von Rang 30 auf Rang 40 zurück. Athen hat Tranparency International zufolge verschiedene Maßnahmen ergriffen wie die Einsetzung eines obersten Korruptionsbekämpfers. Madrid dagegen widme mehreren jüngst aufgedeckten Korruptionsskandalen wenig Aufmerksamkeit.
In Spanien grassiert die Korruption seit Jahren vor allem im Bausektor. Der spektakulärste Fall ist aktuell der von Iñaki Urdangarin, des Schwiegersohns von König Juan Carlos. Er soll Steuergelder in Millionenhöhe unterschlagen haben. Zuletzt wurden seine Immobilien beschlagnahmt.
Korruption ist nicht nur ein juristisches, sondern auch ein ökonomisches Problem, da es die Rationalität wirtschaftlicher Entscheidungen negativ beeinflusst und den Wettbewerb aushöhlt. Übersteigt sie ein gewisses Maß, zersetzt sie außerdem die politische Legitimität ganzer demokratischer Systeme.