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Terroranschläge in Wolgograd  Terroranschläge in Wolgograd : Kriegserklärung an die Winterspiele in Sotschi

Von Katja Tichomirowa 30.12.2013, 06:00
Polizisten und Feuerwehrleute sind in Wolgograd neben dem Wrack des durch eine Explosion zerstörten Trolleybusses (r.) beschäftigt.
Polizisten und Feuerwehrleute sind in Wolgograd neben dem Wrack des durch eine Explosion zerstörten Trolleybusses (r.) beschäftigt. REUTERS Lizenz

Berlin/Wolgograd/MZ - Die südrussische Metropole Wolgograd hat es ein drittes Mal getroffen. Am Montagmorgen sprengte sich ein Selbstmordattentäter in einem voll besetzten Linienbus in die Luft. Der mit Metallteilen präparierte Sprengsatz tötete 14 und verletzte 41 Menschen, teilten die Ermittlungsbehörden mit. Innerhalb von nur 20 Stunden war es der zweite verheerende Anschlag auf die Industriestadt. Am Sonntag starben 17 Menschen im Bahnhofsgebäude der Millionenstadt durch einen Sprengstoffanschlag. Bereits im Oktober hatte eine Attentäterin sich selbst und weitere sechs Insassen eines Linienbusses getötet.

Die Sicherheitsvorkehrungen auf Bahnhöfen und Flughäfen wurden im ganzen Land verschärft. In Sotschi, wo in knapp sechs Wochen die Olympischen Winterspiele eröffnet werden sollen, will man dagegen keine zusätzlichen Schritte unternehmen, wie der Chef des russischen Nationalen Olympischen Komitees, Alexander Schukow, erklärte. Das Internationale Olympische Komitee sieht die Sicherheit der Spiele nicht gefährdet. Verantwortlich seien die lokalen Behörden, teilte das IOC mit, „und wir zweifeln nicht daran, dass die russischen Behörden die Sicherheit gewährleisten“.

Sotschi selbst ist den strengsten Sicherheitsvorkehrungen unterworfen. Die landesweiten Anschläge der vergangenen Jahre lassen allerdings Zweifel daran aufkommen, dass diese Garantie auch für andere russische Städte gilt. Den Attentaten in Wolgograd gingen im November 2009 ein Sprengstoffanschlag auf den Schnellzug Moskau-St.Petersburg voraus, im März 2010 ein Selbstmordanschlag auf eine Moskauer Metro-Station und im Januar 2011 auf den Flughafen Domodedowo. Die Toten der kleineren Anschläge im Nordkaukasus zählen inzwischen nur noch die örtlichen Behörden. Seit die Olympischen Winterspiele an Sotschi vergeben wurden, hat Terror die Vorbereitungen begleitet. Dass insbesondere der Süden Russlands davon betroffen sein würde, überrascht nicht.

Schon bei der Vergabe der Spiele an Sotschi, im Sommer 2007, erstreckte sich die Aufstandsbewegung im Nordkaukasus über die Grenzen Tschetscheniens hinaus, erklärt der Nordkaukasus-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Uwe Halbach. Andere Teilrepubliken, die zuvor als ruhig galten, wurden davon erfasst. „Es war schon 2007 sichtbar, dass das regionale Umfeld der Spiele von Aufstand geprägt ist“, sagt Halbach.

Das gilt vor allem für Dagestan. Die Nachbarrepublik Tschetscheniens gilt heute als das neue Terrorzentrum des Nordkaukasus. In der Gewaltstatistik hat Dagestan das von zwei Kriegen gezeichnete Tschetschenien in den vergangenen zwei Jahren überholt. Auch der Hintergrund und die Ziele der Aufstandsbewegung hätten sich verschoben, so Halbach. Aus einem nationalen tschetschenischen Widerstand, der nach Unabhängigkeit strebte, sei ein islamistischer Widerstand, ein Dschihad geworden, der Zulauf auch aus anderen Teilrepubliken des Nordkaukasus bekommt. Zunehmend beteiligten sich auch ethnische Russen an diesem Kampf.

Zwar sei der Konflikt im Nordkaukasus im Kern noch immer ein regionaler Konflikt, der sich aus den Erfahrungen zweier Kriege in Tschetschenien, der russischen Kolonialgeschichte speise, die Kampfeinheiten hätten sich aber zunehmend vernetzt. So könne man von einer Internationalisierung des Konflikts sprechen. Kämpfer aus Afghanistan beteiligten sich an Einsätzen im Nordkaukasus, Kaukasier in Syrien.

Das 2007 vom tschetschenischen Untergrundführer Doku Umarow begründete Kaukasus Emirat sei vor allem virtuell präsent und nutze das Internet als ideologisches Schlachtfeld. Vor allem junge Kaukasier sympathisierten mit der islamischen Gesetzgebung, der Scharia, weil sie die weltliche Gerichtsbarkeit und Führung als zunehmend korrupt wahrnehmen. Dazu beigetragen habe, dass sich der Antiterrorkampf außerhalb rechtsstaatlicher Grenzen bewege, so Halbach.