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Tarifstreit im öffentlichen Dienst Tarifstreit im öffentlichen Dienst: Einigung stellt angestellte Lehrer nicht zufrieden

Von Kai Gauselmann 29.03.2015, 15:17
Die GEW ist mit dem neuen Tarifvertrag nicht zufrieden. Weitere Streiks könnten folgen.
Die GEW ist mit dem neuen Tarifvertrag nicht zufrieden. Weitere Streiks könnten folgen. dpa Lizenz

Potsdam - Jens Bullerjahn tigert vor dem Beratungsraum auf und ab: „Wenn die Fünf vor dem Komma bleibt, dann fahren wir nach dem Mittag nach Hause!“ Sachsen-Anhalts Finanzminister und Verhandlungsführer der Länder pumpt sich auf für ein Duell. Und da kommt sein Gegner: Verdi-Chef Frank Bsirske sieht Bullerjahn warten - und lässt ihn warten. Hält immer wieder, um irgendwas mit irgendwem zu bereden und schlendert aufreizend lässig zu Bullerjahn.

Drei Runden wurde im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes der Länder in Potsdam schon ohne Ergebnis palavert – sollte die vierte kein Ergebnis bringen, käme es zu flächendeckenden Streiks, hatten die Gewerkschaften gedroht. In der großen Verhandlungsrunde wiederholten Bullerjahn und Bsirske die bekannten Positionen. „Das war jetzt die typische Rede eines Finanzministers“, soll Bsirske Bullerjahn kommentiert haben. Und der gab zurück: „Und das war die typische Rede eines Gewerkschafters.“ Nach einem Vier-Augen-Gespräch gelang doch der Durchbruch:

Rückwirkend zum 1. März erhalten die 800 000 Länder-Angestellten 2,1 Prozent mehr, was mindestens 75 Euro sein müssen.

Ab März 2016 gibt es noch eine Erhöhung um 2,3 Prozent. Das ergibt durch den Mindestbetrag ein Plus von 4,6 Prozent. Bsirske hatte 5,5 Prozent gefordert.

Außerdem gab es eine Einigung bei der betrieblichen Altersvorsorge. Da drohte langfristig eine Milliardenlücke, weil durch die ansteigende Lebenserwartung die Renten länger gezahlt werden müssen. Deswegen werden nun die Zusatzbeiträge leicht angehoben.

Bsirske setzte durch, dass die Jahressonderzahlung im Osten über fünf Jahre an den Westen angeglichen wird. Das gesamte Tarifpaket wird die Länder dieses Jahr 650 Millionen Euro kosten und 2016 gut 1,5 Milliarden.

Am Ende des langen Verhandlungstages zeigte sich Bsirske zufrieden. „Damit profitieren die Beschäftigten von spürbaren Reallohnsteigerungen“, sagte er. Das Ergebnis sei nicht einfach, aber unter dem Strich akzeptabel. Ähnlich sah das Bullerjahn. „Das ist ein Riesenpaket, das beiden Seiten einiges abverlangt. Aber ich kann dazu stehen.“

Diese Zufriedenheit teilte die Lehrergewerkschaft GEW nicht. Sie stimmte zwar der Tariferhöhung zu, lehnte aber Bullerjahns Angebot für einen Lehrer-Tarifvertrag ab. Die GEW forderte vor allem eine Angleichung bei der Eingruppierung angestellter Lehrer an die verbeamteten Kollegen. Das würde die Länder 350 Millionen Euro kosten. Bullerjahn bot einen „Einstieg in die Angleichung“ an, die 30 Millionen gekostet hätte. Weitere Schritte hätten bei nächsten Tarifgesprächen verhandelt werden müssen. „Die Arbeitgeber wollen die Bezahlung der bundesweit 200 000 angestellten Lehrkräfte weiter diktieren“, lehnte GEW-Chef Andreas Gehrke ab. Mit 30 Euro Zulage im Monat für einzelne Lehrergruppen hätten die Arbeitgeber der GEW „das Streikrecht abkaufen“ wollen.

Ein Tarifvertrag sieht ja eine Friedenspflicht vor. So wurde das Gewerkschaftslager gespalten, denn Verdi und Beamtenbund akzeptierten den Lehrervertrag. Um die Angleichung zu erreichen, müsste die GEW sie nun in jedem Land einzeln mit Streiks erzwingen. Bsirske meinte zwar, die Gewerkschaften seien „voll solidarisch“ – streiken müssten die Lehrer aber alleine. Vor allem in vielen West-Ländern gibt es viel mehr verbeamtete als angestellte Lehrer.