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Tarife Tarife: Letzte Chance im öffentlichen Dienst

08.01.2003, 12:50
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gibt am Montag zusammen mit dem Verhandlungsführer der Arbeitgeber in der Schlichtung um den Tarifkonflikt des Öffentlichen Dienstes, Harald Seite (l., CDU), und dem bayerischen Finanzminister Kurt Faltelhauser (r., CSU) im Bremer Park-Hotel eine Pressekonferenz zum Ergebnis der Schlichtung. (Foto: dpa)
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gibt am Montag zusammen mit dem Verhandlungsführer der Arbeitgeber in der Schlichtung um den Tarifkonflikt des Öffentlichen Dienstes, Harald Seite (l., CDU), und dem bayerischen Finanzminister Kurt Faltelhauser (r., CSU) im Bremer Park-Hotel eine Pressekonferenz zum Ergebnis der Schlichtung. (Foto: dpa) dpa

Potsdam/dpa. - Mit gegenseitigen Appellen zur Vernunft haben am Mittwochabend in Potsdam Gewerkschaften und Arbeitgeber den letzten Versuch zur Beilegung des Tarifkonflikts im öffentlichen Dienst gestartet. Die Tarifparteien gingen allerdings mit unverändert harten Positionen in die entscheidende Runde. Gleichwohl unterstrichen beide Seiten ihre Absicht, bis Donnerstag doch noch eine Einigung zu erzielen.

Die Arbeitgeber von Bund, Ländern und Gemeinden waren zunächst zur Sondierungsgesprächen zusammengekommen. Sie wollten ein Kompromissangebot auf den Tisch legen. Danach sollen die drei Millionen Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst eine halbe Stunde pro Woche mehr arbeiten. Im Gegenzug könnte man sich auf die Forderung von ver.di nach insgesamt drei Prozent mehr Lohn verständigen.

Zu einem derartigen Angebot sagte das ver.di-Vorstandsmitglied Kurt Martin in NDR Info: «Wenn diese Forderung der Arbeitgeber kommt, beschleunigt dies das endgültige Scheitern der Verhandlungen.» Denn dies hätte unter anderem einen Abbau von mehr als 50 000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst zur Folge.

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) setzte weiterhin auf eine friedliche Lösung des Konflikts ohne Streiks. Er hoffe, dass sich Bund, Länder und Kommunen sowie die Gewerkschaften einigen können, sagte Schily vor den Gesprächen in Potsdam. «Es werden sehr schwierige Verhandlungen». Eine Einigung sei möglich, wenn alle Beteiligten «Vernunft walten lassen».

Zu einem Angebot der Arbeitgeber wollte sich Schily nicht näher äußern. Der Verhandlungsführer des Bundes warnte erneut vor Streiks. Ein Tarifkompromiss werde nach Arbeitskämpfen deutlich unter den letzten Vorschlägen der Arbeitgeber liegen, bekräftigte Schily. «Dann rückt eine Nullrunde näher.»

Grundlage eines neuen Angebots seien «mit Sicherheit» die Vorschläge der Arbeitgeber für die gescheiterte Schlichtung, sagte der Verhandlungsführer der Länder, Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU), vor Beginn der Sondierungsgespräche im Arbeitgeberlager. Die Chancen für eine Einigung schätzte Faltlhauser verhalten ein. Ein Scheitern sei genauso möglich. Er forderte die Gewerkschaften auf, sich zu bewegen. «Wenn sich ver.di nicht bewegt, kommt nichts zu Stande», sagte Faltlhauser: «Bisher haben sich nur die Arbeitgeber über die Mittellinie bewegt.»

Die Gewerkschaften beharren auf Umsetzung des Schlichterspruches, der eine Lohnerhöhung von 2,2 Prozent und eine Einmalzahlung im Volumen von 0,6 Prozent in diesem Jahr sowie eine Anhebung der Löhne und Gehälter von 0,6 Prozent im kommenden Jahr vorsieht. Nach der erfolglosen Schlichtung ist diese zweitägige dritte Runde der letzte Versuch, den Konflikt friedlich beizulegen und Streiks abzuwenden. Sollte auch diese Runde keine Lösung bringen und endgültig das Scheitern erklärt werden, käme es zum ersten großen Streik im öffentlichen Dienst seit 1992. Er könnte bereits in zweiten Januarhälfte beginnen.

Der frühere SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt schrieb in der Wochenzeitung «Die Zeit» (Donnerstag), «für die generelle Streikdrohung der Gewerkschaft ver.di gibt es keine Rechtfertigung». DGB-Chef Michael Sommer nannte den Schlichterspruch gerecht. Die Beschäftigten hätten ein Anrecht auf angemessene Lohnerhöhung, sagte er im DeutschlandRadio. Das Akzeptieren des Schlichterspruchs führe nicht, wie von Arbeitgebern behauptet, zum Verlust von Arbeitsplätzen.

Nachdem Berlin aus dem Flächentarifvertrag für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst ausgestiegen ist, drohte nun auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) in den «Stuttgarter Nachrichten» (Donnerstag): «Wir könnten durch zu hohe Abschlüsse in den Verhandlungen zu einem Ausstieg aus den Arbeitgeberverbänden gezwungen werden.»

Spielregeln für den Arbeitskampf. (Grafik: dpa)
Spielregeln für den Arbeitskampf. (Grafik: dpa)
dpa