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Sudan Sudan: Reitermilizen terrorisieren Darfur noch immer

Von Ulrike Koltermann 05.03.2007, 07:19

Boro Medina/dpa. - Die 50-jährige Flüchtlingsfrauaus der sudanesischen Krisenregion Darfur ist vor wenigen Tagen erstin Boro Medina im Südsudan eingetroffen. «Ich habe auf dem Hirsefeldgearbeitet, als vier Dschandschawid-Reiter auf Kamelen kamen»,erzählt Hawa und nestelt an ihrem leuchtend orange-farbenen Schleier.«Sie haben gerufen: "Wenn ihr noch länger in der Gegend bleibt,werden wir euch alle töten".» Dann hätten die uniformierten Männerihre Söhne verprügelt, die mit ihr auf dem Feld waren.

«Wir hatten große Angst vor den Dschandschawid», sagt Hawa undfährt fort: «Ich habe einmal gesehen, wie sie ein junges Mädchenentführt haben. Als sie zurückkam, war sie sehr krank.» «Sie habenviele Mädchen und Frauen genommen», sagt sie und blickt verschämt zuBoden. «Sie missbrauchen sie und lassen sie wieder laufen.»

Es war Anfang Dezember, als Hawas Familie die Drohungen derDschandschawid ernst nahm und das Dorf Elabo im Süden Darfursverließ. In den Monaten zuvor hatten die Reitermilizen im SüdenDarfurs Angst und Schrecken verbreitet. Im August griffen sie etwa 70Dörfer in der Nähe des Ortes Buram an, setzten Hütten in Brand undtöteten nach Augenzeugenberichten Hunderte von Menschen.

Die internationale Gemeinschaft wirft der sudanesischen Regierungvor, die Dschandschawid zu finanzieren und zu bewaffnen. In dervergangenen Woche beschuldigte der Ankläger des InternationalenStrafgerichtshofs in Den Haag ein Regierungsmitglied, für Verbrechengegen die Zivilbevölkerung in Darfur verantwortlich zu sein. Sudanweist alle Vorwürfe von sich.

Der 30 Jahre alte Jamal Zakaria floh während der Angriffe in dieumliegenden Wälder. «Von dort bin ich immer wieder auf meine Feldergegangen.» Eines Tages kamen die Dschandschawid. «Ihr Schwarzen machtnichts als Probleme. Dies wird der letzte Tag deines Lebens sein»,habe einer ihm zugerufen. «Wir werden alle von euch von hierverjagen.» Die Dschandschawid nahmen Jamal seine Uhr, sein Radio undseine Hirsesäcke weg und schlugen ihn mit einer Nilpferdpeitsche.«Ich habe Glück gehabt, dass ich ihnen entkommen bin», sagt Jamal.

Die Flucht durch Steppe und Wälder dauerte etwa acht Wochen. VieleFlüchtlinge konnten nur mitnehmen, was sie am Leib trugen. Einigewaren bei den Angriffen verletzt worden. Sie ernährten sich vonWurzeln, Früchten und wildem Honig. Mehrere Frauen brachten unterwegsihre Kinder zur Welt. Die ersten Gruppen trafen im vergangenenOktober in Boro Medina ein. Inzwischen sind es mehr als 1000Menschen, weitere Gruppen sind noch immer auf dem Weg.

«Die Bevölkerung hier hat uns freundlich aufgenommen», berichtetArkorrah Mohammed, der zu den Erstankömmlingen gehörte. «Sie habenselber fast nichts zu essen, aber sie haben für uns Lebensmittelgesammelt und uns Werkzeuge geliehen, damit wir ein Lager einrichtenkonnten», sagt Mohammed. Die Flüchtlinge haben sich Hütten aus Ästenund Strohmatten gebaut. Nach und nach erreichen Hilfslieferungen dasLager in der schwer zugänglichen Region.

In der vergangenen Woche traf ein Lastwagen der OrganisationHoffnungszeichen ein, der von Nairobi aus drei Wochen unterwegs war.Die Flüchtlinge erhielten Bohnen, Mais, Speiseöl, Decken undKochtöpfe. Niemand kann sich vorstellen, wieder in die Heimatzurückzukehren, so lange es die Dschandschawid noch gibt. «Ich möchtesicher nicht nach Darfur zurück, nach dem, was ich dort erlebt habe»,sagt Mohammed, der bei einem Angriff durch einen Schuss in denOberschenkel verletzt wurde.