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Stuttgart 21 Stuttgart 21: Lob nur für den Schlichter

Von JOACHIM WILLE 30.11.2010, 19:27

STUTTGART/MZ. - Als Vermittler Geißler dann nach der letztenAbstimmung mit den Kontrahenten ins Scheinwerferlichttrat, war es mucksmäuschenstill.

Geißler sprach sich dafür aus, das Stuttgart-21-Projektfortzuführen. Allerdings empfahl er der Bahn,"offensichtliche Schwachstellen" ihres Konzeptszu beheben. Sie solle zum Beispiel zu dengeplanten acht Tiefbahn-Gleisen zwei weiterevorsehen, um Engpässe im Betrieb zu beheben.Dadurch solle aus "Stuttgart 21" ein "Stuttgart21 plus" werden. Das Projekt müsse unter anderem"leistungsfähiger, ökologischer, behindertenfreundlicher"sein. Die Vorschläge seien von beiden Seitenakzeptiert worden, sagte Geißler. Werden sieumgesetzt, bedeutet das, dass das Projektdeutlich teurer würde.

Geißler sagte, das K-21-Alternativmodell derGegner habe sich "zwar als machbar" erwiesen.Die Kosten eines Ausstiegs aus S 21 seienjedoch zu hoch. Sie betrügen zwischen 600Millionen Euro und 2,8 Milliarden Euro. Dassei "viel Geld dafür, dass man am Ende nichtsbekommt", sagte er. Mit der Schlichtung seinachgeholt worden, was "bereits vor vier oderfünf Jahren hätte geschehen müssen".

Geißler hatte viel länger gebraucht als geplant,um den Widersachern seinen Schlichtungsschlusszu erläutern, wenn schon nicht schmackhaftzu machen. Schon das erste Treffen mit derPro-Fraktion dauerte 90 Minuten, erst dannging es zu den S-21-Contras, und zwischendrinpendelte der Schlichter dann hin und her,um Details abzustimmen.

Vor Geißlers Fazit hatten die Befürworterund Gegner ihre jeweilige Bilanz der sechswöchigenSchlichtung gezogen. Beide Seiten lobten diesachliche Atmosphäre, in der die neun Sitzungenstattgefunden hätten. Vor allem Geißler konntesich jede Menge Lob abholen für seine Gesprächsleitung,humorig, auch schlitzohrig, immer auf Verständlichkeitpochend. "Ohne Sie wäre das nicht möglichgewesen", sagte Bahn-Vorstand Volker Kefer.Aber es zeigte sich sofort und unmissverständlich:Die Positionen der Kontrahenten waren trotzüber 60 Stunden "Faktencheck" praktisch unverändertgeblieben.

Baden-Württembergs Ministerpräsident StefanMappus (CDU) verteidigte die Tieferlegungdes Hauptbahnhofs vehement. Sie sei ein Meilensteinfür die ökonomische Entwicklung des Landes.Er versprach, bei der geplanten Bebauung dergeräumten Gleisflächen werde es "keine Gigantomanieund keine Spekulation" geben. Eine gemeinnützigeStiftung soll gegründet werden, die die Planungorganisieren soll. Mappus mühte sich, verbindlicheTöne anzuschlagen. Verkehrsministerin TanjaGönner (CDU) hingegen sprach Tacheles. Sieließ am Alternativkonzept der S-21-Gegner,genannt K 21, kein gutes Haar. Die vorgeschlageneModernisierung des vorhandenen Kopfbahnhofswerde mindestens zehn Jahre kosten. Sie sagte:"K 21 bedeutet zunächst Stillstand statt Fortschritt".

Die Projektgegner hingegen verdammten dieS-21-Pläne, wie gehabt, in Bausch und Bogen.Es sei in der Tat "ein Jahrhundertprojekt,aber leider eines des vergangenen Jahrhunderts",ätzte der Grünen-Stadtrat Werner Wölfle. Gebautwerde ein "Nadelöhr statt eines Zukunftsprojekts".Sein Parteifreund Winfried Kretschmann, Fraktionschefim Landtag mit Ambitionen auf den Mappus-Sessel,gab den sparsamen, auf Effizienz bedachtenSchwaben: Mit den vielen Milliarden, die inStuttgart verbuddelt werden sollen, könneviel mehr für den Schienenverkehr getan werden.S 21 sei eine "Verschleuderung von Geldern".Das Alternativprojekt K 21 sei durchführbar,koste maximal die Hälfte und biete mindestensgenauso viel wie S 21. Das zeige doch: "Wiesind keine sturen Neinsager, sondern Freundeder Bahn und der Bahnreisenden", sagte derArchitekt und Alt-Sozi Peter Conradi.

Die Basis, das Stuttgarter Public-Viewing-Volk,bereitete sich schon während Geißlers Finaleauf neue Aktionen vor. "Wenn nötig, geht esjetzt mit den Demos weiter", sagte Conny Single,eine Rentnerin. Die Leute in der Stadt seiendurch die Schlichtung "so sensibilisiert",was die Schwächen des S-21-Konzepts angeht.Die Parkschützer, die radikalste Gruppe derProjekt-Gegner, hat Blockaden angekündigt,falls die Bahn die Baumaßnahmen wiederaufnehmensollte. Aber auch die S-21-Freunde wollennicht lockerlassen. Wenn die Gegner wiederauf die Straße gehen, dann wollen auch siedort wieder Flagge zeigen. "Anders geht esdann nicht", sagte Gerald Holler von den "Bürgernfür Stuttgart 21".