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Studie zu Muslimen in Deutschland

20.12.2007, 21:25

Berlin/dpa. - Eine Minderheit der in Deutschland lebenden Muslime hält Gewalt für gerechtfertigt, um ihre Religion zu verteidigen.

Nach einer im Auftrag des Bundesinnenministeriums erstellten Studie «Muslime in Deutschland» berichten aber die rund 1000 Befragten nahezu ausnahmslos, dass sie in Deutschland ihre Religion frei ausüben können und dass sie Deutschland wegen der Religionsfreiheit sehr schätzen. Ferner fanden die Hamburger Forscher Katrin Brettfeld und Peter Wetzels heraus, dass sich mehr als die Hälfte der Muslime als Ausländer ausgegrenzt fühlt. Jeder fünfte habe innerhalb der vergangenen 12 Monate Ausländerfeindlichkeit erlebt.

Bei der Untersuchung politisch-religiös motivierter Gewalt bejahte fast jeder zweite die Frage, ob sich Muslime mit Gewalt verteidigen dürften, wenn der Islam durch den Westen bedroht werde. Gewalt zur Durchsetzung des Islam hielten allerdings nur 5,5 Prozent für gerechtfertigt. Fast ein Drittel glaubt, dass Muslime, die im bewaffneten Kampf für den Glauben sterben, ins Paradies kommen.

Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei Selbstmordattentaten. Gut 90 Prozent stimmen der Aussage zu, dass diese Attentate feige seien und der Sache des Islam schaden. 90 Prozent sind zudem der Auffassung, dass kein Muslim im Namen Allahs andere Menschen töten darf.

Die mehr als 500 Seiten fassende Studie zeigt auch die jahrezehntelangen Versäumnisse bei der Integration muslimischer Zuwanderer auf. Bei den Älteren gebe es eine resignative Abwendung von der Aufnahmegesellschaft und einen «Rückzug in das wärmende und schützende Umfeld der Migrantenmilieus». Bei den Jüngeren beobachten die Forscher hingegen häufiger die Bestrebung, als selbstbewusste Muslime anerkanntes Mitglied der Aufnahmegesellschaft sein zu wollen. Diese Hinwendung werde allerdings teilweise durch Reaktionen der Deutschen konterkariert.

Die Studie bestätigt die hohe Bedeutung der Religion. Bei der überwiegenden Mehrheit bestünden starke religiöse Bindungen, die deutlich stärker seien als bei einheimischen Nichtmuslimen. Bei den Jugendlichen, auch unter muslimischen Studenten, stellte die Befragung häufiger antisemitische Haltungen fest als unter nichtmuslimischen Migranten oder einheimischen Nichtmuslimen. Die Extremgruppe der muslimischen Studierenden, die starke religiöse Vorurteil artikulieren und die Demokratie ablehnen, beziffert die Studie mit etwa 15 Prozent.

Insgesamt machten die Forscher aber nur bei etwa zehn Prozent der befragten Muslime eine ausgeprägte Distanz zu Grundprinzipien von Demokratie und Rechtsstaat aus. «Es handelt sich um eine qualifizierte Minderheit der Muslime, für die eine aus einer moralischen Perspektive formulierte Kritik an demokratischen Strukturen, die Befürwortung von Todes- und Körperstrafen sowie ein Primat der Religion vor Demokratie kennzeichnend ist.» Verstärkt fanden sich diese Haltungen bei den in Deutschland geborenen Muslimen.

Der Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime, Bekir Alboga, teilte in Köln mit, der Bericht zeige, dass sich die Einstellung von jungen Muslimen und Nichtmuslimen zu Demokratie und Rechtsstaat nicht wesentlich unterscheide. Man könne also nicht sagen, dass der Islam Demokratiefeindlichkeit fördere.

Die Studie beschränkte sich auf vier großstädtische Regionen. Wegen der Ausklammerung ländlicher Gebiete weisen die Forscher darauf hin, dass die Studie nicht ohne weiteres auf alle in Deutschland lebenden Muslime übertragbar sei. Insgesamt zeige sich bei einem erheblichen Teil der Muslime in Deutschland aufgrund geringer Schulbildung, einem niedrigen beruflichen Qualifikationsniveau oder auch durch Arbeitslosigkeit eine geringe soziale Teilhabe.