Studie "Frauen der Sandwich-Generation" Studie "Frauen der Sandwich-Generation": Von wegen Familienarbeit - Frauen tragen die größte Last
Berlin - Eigentlich ist die 100-seitige Studie überflüssig. Das findet zumindest Anke Gabriel, die Ehefrau des Bundeswirtschaftsministers, Mutter seiner dreijährigen Tochter Marie und praktizierende Zahnärztin in Goslar. „Das Geld hätte man sich sparen können“, sagte Frau Gabriel vor wenigen Tagen zu ihrem Ehemann. Nicht etwa, weil sie die Ergebnisse der Untersuchung anzweifelt. Ganz im Gegenteil: „Das hätte ich dir alles ganz genauso erzählt“, rieb sie ihrem Siggi unter die Nase.
Doch nun weilt der Vizekanzler und Vater wieder einmal 250 Kilometer vom Familienwohnort entfernt in Berlin und muss – so formuliert Gabriel durchaus selbstironisch – „die Welt retten“. Dass er an diesem Dienstag in der Hauptstadt als Mann die von den Allensbacher Meinungsforschern für die Zeitschrift „Bild der Frau“ erstellte Erhebung „Frauen der Sandwich-Generation“ vorstellt, mag ein kleiner Akt der Wiedergutmachung sein. Denn Frauen, so viel lässt sich aus den zahlreichen eindrucksvollen Grafiken und Tabellen bereits beim Durchblättern herauslesen, tragen trotz stark wachsender Berufstätigkeit nach wie vor die Hauptlast von Erziehung und Pflege in der Familie.
Mehrfache Herausforderungen
Lange Zeit, erläutert Renate Köcher, die Chefin des Allensbacher Instituts, habe man die Mehrfachbelastung berufstätiger Frauen vor allem unter dem Aspekt der Kindererziehung gesehen. Doch vor allem die Altersgruppe zwischen 40 und 59 sei mit mehrfachen Herausforderungen konfrontiert: Rund drei Viertel dieser Frauen mittleren Alters hätten eigene Kinder. Zugleich unterstützen 86 Prozent ihre Eltern oder Schwiegereltern bei der Hausarbeit, bei Einkäufen oder Arztbesuchen. Fast ein Fünftel hat bereits pflegebedürftige Angehörige, weitere 29 Prozent rechnen mit dieser Aufgabe in den nächsten Jahren.
„Kaum ist die Phase der Kindererziehung ausgestanden, rückt das Thema der Unterstützung älterer Angehöriger in den Vordergrund“, sagt Köcher. Damit sei die Sandwich-Generation doppelt gefordert, zumal knapp 80 Prozent dieser Frauen berufstätig sind – die Hälfte davon sogar in Vollzeit.
Doch selbst in Partnerschaften, in denen beide Partner Vollzeit arbeiten, ist die Haus- und Familienarbeit immer noch überwiegend Frauensache. Hier erklären 52 Prozent der Frauen, sie erledigten das meiste oder alles. Noch deutlicher ist das Ungleichgewicht in der Gesamtbevölkerung der 40- bis 59-Jährigen: Dort erklären rund zwei Drittel der Frauen, dass sie alles oder das meiste an Arbeit erledigen. Umgekehrt gesteht ein genauso großer Teil der Männer, dass er den kleineren Teil, kaum etwas oder gar nichts übernimmt. Dazu passt, dass sich 84 Prozent der Frauen, aber nur 68 Prozent der Männer mit der Pflege von Angehörigen beschäftigen. Bemerkenswerterweise sind beide Geschlechter davon überzeugt, dass Frauen die besseren Familienbetreuer sind. Da wundert es nicht, dass rund die Hälfte der Frauen zwischen 40 und 59 Jahren Beruf, Haushalt, Kinder und Pflege schwer zu vereinbaren finden.
Betroffene befürchten psychische Belastung
Dabei, so die Studie, gebe es grundsätzlich eine sehr große Bereitschaft in der Gesellschaft, die Pflege der Eltern zu übernehmen. Doch erwüchsen aus dieser Aufgabe erhebliche Belastungen. „Das Kernproblem ist nicht finanziell und nicht körperlich“, hat Köcher herausgefunden. Vielmehr berichteten die Betroffenen von einer erheblichen psychischen und zeitlichen Belastung. Als Kernforderung macht die Meinungsforscherin aus: den Wunsch nach dem Abbau bürokratischer Hürden bei der Anerkennung von Pflegestufen, die stärkere Berücksichtigung von Pflegezeiten bei der Rente und eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
„Viel zu lang haben wir so getan, als seien das Erwerbs- und das Familienleben getrennte Sphären“, pflichtet Gabriel ihr bei. Dabei sei klar, dass Menschen, die jeden Tag mit schlechtem Gewissen zur Arbeit erscheinen, weil sie Kinder oder Angehörige vernachlässigen, auch nicht so leistungsfähig seien. Mit dem Kita-Ausbau, dem Elterngeld plus und der Familienpflegezeit habe sich die große Koalition des Problems angenommen, sagt der SPD-Chef, gesteht aber zugleich: „Das sind erst allererste Schritte“.
Entsprechend bescheiden spricht der Vizekanzler dann auch von einem „Einstieg in die Debatte“. Das Thema will er weiter verfolgen. Schließlich sei ihm die Problematik aus eigener Erfahrung – im vorigen Jahr starb nach längerer Pflegezeit 92-jährig seine Mutter – vertraut. Im übrigen sorge die Mehrfachbelastung durch Beruf und Kindererziehung auch bei seiner Familie gelegentlich für „überschaubare Begeisterung“.
Irgendwie ahnt der Vizekanzler aber auch, dass es sich dabei um nicht ganz repräsentative Probleme handeln könnte: „Dabei können wir uns eine Haushaltshilfe leisten“, schickt er eilig hinterher.