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Studie der EU-Kommission Studie der EU-Kommission: Renten-Alarm in Europa

Von DETLEF DREWES 11.07.2010, 18:02
Rentner demonstriert vor dem Reichstag in Berlin und hält dabei eine Weste in den Händen, auf der «Rente muss zum Leben reichen» zu lesen ist. (FOTO: DPA)
Rentner demonstriert vor dem Reichstag in Berlin und hält dabei eine Weste in den Händen, auf der «Rente muss zum Leben reichen» zu lesen ist. (FOTO: DPA) dpa

BRÜSSEL/MZ. - Den Lebensabend in Armut soll es nicht geben. Deshalb hat die EU-Kommission jetzt Alarm geschlagen: "Wir stehen vor der Wahl, entweder im Ruhestand über weniger Einkommen zu verfügen, höhere Pensions- und Rentenbeiträge zu zahlen oder mehr und länger zu arbeiten", sagte EU-Sozialkommissar László Andor in Brüssel bei der Vorstellung einer neuen Studie. "Wir sind mit einer der schwierigsten Fragen konfrontiert, der sich Europa und die Welt gegenübersehen."

Bis 2060 wird die Lebenserwartung um rund sieben Jahre steigen. Während heute vier Erwerbstätige die Pension eines Rentners erwirtschaften, müssen in 50 Jahren zwei Beschäftigte diese Last tragen. Weniger als 50 Prozent der Menschen sind derzeit mit 60 noch berufstätig. "Ändert sich dieser Trend nicht, wird die Lage unhaltbar", heißt es schnörkellos in dem 40-seitigen Papier aus Brüssel.

Dabei hatten sich die 27 Mitgliedstaaten eigentlich schon vor Jahren darauf verständigt, das gesetzliche Renteneintrittsalter schrittweise um fünf Jahre anzuheben. Während Deutschland bereits die Rente mit 67 eingeführt hat, wird in Frankreich noch gegen eine Altersgrenze von 61 demonstriert (siehe: Fast alle Länder doktern nur am Renten-Eintrittsalter herum) "Es gibt nur eine Lösung", schreibt die Kommission: "Die Menschen müssen länger arbeiten."

Entsprechend der Zunahme der Lebenserwartung solle deshalb auch über eine stetige Erhöhung der Altersgrenze nachgedacht werden, raten die Autoren der Studie. Das heißt konkret: Im Jahr 2060 müssten die Menschen rund viereinhalb Jahre länger im Beruf verbringen als heutzutage. Zwar vermeidet man in Brüssel, ausdrücklich von einer Rente mit 70 zu sprechen. Tatsächlich aber ist genau das gemeint.

Eine andere Lösung gebe es nicht, wenn man die explodierenden Kosten in Grenzen halten wolle, heißt es weiter. Schon jetzt sei absehbar, dass die staatlichen Zuschüsse zu den Pensionen und Renten innerhalb der nächsten 50 Jahre um fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen müssen.

Darüber hinaus werden nach den Erkenntnissen der Kommission zusätzliche Mittel für die Pflege älterer Menschen nötig, da durch Single-Haushalte und kinderlose Paare sowie die Tatsache, dass mehrere Generationen einer Familie weit voneinander entfernt leben, der Bedarf nach entsprechenden Leistungen zunehme. Kapitalgedeckte Vorsorgemodelle werden künftig die eigene finanzielle Basis kaum noch sichern können, da aufgrund der starken Zunahme älterer Menschen die realen Erträge niedriger ausfallen. Es sei "nicht übertrieben", von einer "Gefahr" für die heutige Form der Pensionsfonds zu sprechen.

Die Kommission sieht deshalb nur einen Ausweg: "Man muss mehr Menschen dazu bringen, mehr und länger zu arbeiten, um vergleichbare Ansprüche zu erwerben wie vor der Reform". Das heißt konkret: Das Renteneintritts- bzw. Pensionsantrittsalter wird angehoben werden. Die Mitgliedstaaten sollten Vorteile für einen späteren und Nachteile bei früherem Beginn des Ruhestands schaffen. Außerdem sollten die Bezüge am Lebensabend am Durchschnitt des Einkommens während des Erwerbslebens orientiert werden. Unterm Strich würde eine längere Berufstätigkeit eine höhere Rente bedeuten.

In den nächsten Monaten will man in Brüssel diese Vorstellungen mit den Mitgliedstaaten und den Sozialversicherungsträgern diskutieren und dann einen konkreten Vorschlag vorlegen. Ob die 27 Länder dem dann folgen, bleibt allerdings ihnen selbst überlassen. Denn in Sachen Rente hat die Kommission keine Zuständigkeit, gesetzlich einzugreifen. Kommentar