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Kindesmissbrauch Struktureller Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche: "Täter wurden geschützt"

Von Melanie Reinsch 17.08.2018, 17:48
Missbrauchsskandale erschütterten die katholische Kirche zuletzt immer wieder.
Missbrauchsskandale erschütterten die katholische Kirche zuletzt immer wieder. picture alliance / Armin Weigel

Immer wieder erschüttern Missbrauchsfälle weltweit die katholische Kirche. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich im US-Bundestaat Pennsylvania mehr als 300 katholische Priester in den vergangenen 70 Jahren an mehr als 1000 Kindern vergangen haben sollen. Die Vorwürfe der Vertuschung reichen bis in die höchsten Kirchenkreise der USA.

In Deutschland wurden in den 90er Jahren erste Fälle bekannt, seit 2010 mehrten sich die Fälle von Missbrauchsskandalen in der Kirche. Spätestens seit Pater Klaus Mertens einen der größten Missbrauchsfälle der katholischen Kirche aufdeckte, ist das Thema öffentlich. Immer wieder melden sich Opfer, es werden Fälle bekannt.

Unzureichende Aufklärung und „strukturelle Probleme“

Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung, hat der katholischen Kirche nun eine unzureichende Aufklärung von Fällen sexuellen Missbrauchs vorgeworfen. „Aufarbeitung wird wohl noch zu oft als Gefahr für die eigene Institution gesehen“, er der Funke Mediengruppe. Diese Haltung mache deutlich, wie sehr Institutionen- und Täterschutz noch immer vor Opferschutz stehe. „Es darf nicht mehr nur um den Schutz und das Ansehen der Kirche gehen.“

Für eine Studie, die Ende September veröffentlicht werden soll, hätten leider nicht alle Bistümer ihre Archive geöffnet, sagte Rörig. Das Forschungsprojekt „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ wurde 2014 von der Bischofskonferenz in Auftrag gegeben, um Missbrauchsfälle in Deutschland aufzuarbeiten. 

Rörig ist sich sicher: „Es sind nicht nur Einzelfälle oder Einzeltäter - es sind immer auch strukturelle Probleme, die sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ermöglichen. Diesen Strukturproblemen muss sich die katholische Kirche auch in Deutschland stellen.“

Studienergebnisse als Handlungsaufforderung

Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, sieht die Kirche in der Verantwortung, aus den Ergebnissen der Studie im September Schlussfolgerungen zu ziehen und dementsprechend zu handeln. Es sei ihre Aufgabe, dafür zu sorgen Kinder und Jugendliche zu schützen.

„Bisher herrschte große Intransparenz. Die katholische Kirche ist männerbündisch geprägt, Täter wurden geschützt“, sagte Andresen dieser Zeitung. Beim öffentlichen Hearing zum Thema Kirchen und Verantwortung zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs sei sehr deutlich geworden, „dass gewalttätige Priester einfach immer weiter in die nächste Gemeinde versetzt wurden, ohne dass vor ihnen gewarnt“ worden sei.

„Man kann nach wie vor sagen, dass die Kirche erst dann Aufarbeitung betreibt, wenn der öffentliche Druck groß ist. Bisher ist nicht zu sehen, dass alle Ebenen der Kirche wirklich wissen wollen, was gesehen ist und was zu diesen Taten geführt hat“, kritisierte Andresen.

Bischof sieht keine Anhaltspunkte

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat den Vorwurf des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, die katholische Kirche kläre sexuellen Missbrauch nur unzureichend auf, zurückgewiesen. „Woher Herr Rörig die Information nimmt für seine Behauptung, dass nicht alle Bistümer dazu ‚ihre Archive geöffnet‘ hätten, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich jedenfalls habe dazu keine Anhaltspunkte“, sagte der Bischof der Deutschen Presse-Agentur.

Ackermann ist seit 2010 Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für Fragen des sexuellen Missbrauchs. Zu dem Missbrauchsbericht in Pennsylvania sagte Ackermann: „Er zeigt, dass wir als katholische Kirche auch in der Aufarbeitung dieser dunklen Seite unserer Geschichte längst nicht am Ende sind.“