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Streit um Atombombenabwurf Streit um Atombombenabwurf: Kriegsverbrechen oder Heldentat?

Von Chris Melzer 01.08.2005, 14:35

Washington/dpa. - Fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegesstellte die amerikanische Post eine neue Briefmarke vor. Sie zeigteeinen Atompilz wie den über der japanischen Stadt Hiroschima mit derUnterzeile «Die Atombombe hat den Krieg beendet». Damals, vor zehnJahren, löste die Briefmarke in den USA heftige Kontroversen undeinen regelrechten Historikerstreit aus: Hat die Atombombe den Kriegverkürzt - oder war sie ein Kriegsverbrechen?

Die Atombombe war militärisch nicht notwendig und habe nur «amlebenden Objekt» erprobt werden sollen, klagen Kritiker wie derHistoriker Gar Alperovitz an. Einige der an der Entwicklungbeteiligten Physiker sagten später, sie hätten unbedingt vorKriegsende mit der Bombe fertig sein sollen, um noch einen Grund fürihren Einsatz zu haben. Einer von ihnen, Leo Szilard, sagte: «Hättendie Deutschen die Atombombe auf unsere Städte geworfen, hätten wirdas ein Kriegsverbrechen genannt und die schuldigen Deutschen inNürnberg zum Tode verurteilt und gehängt.»

Doch so einfach funktioniert der Vergleich nicht, entgegnen dieVerteidiger des Bombenabwurfs. «Die Hoffnung auf eine KapitulationJapans war trotz der aussichtslosen Lage vergebens», sagt zumBeispiel der Historiker Victor Davis Hanson. Noch im Sommer 1945leisteten die Japaner erbitterten Widerstand in der Schlacht vonOkinawa. 12 000 Amerikaner und mehr als 110 000 Japaner starben nuracht Wochen vor Kriegsende. Eine für November 1945 geplante Landung,quasi der D-Day in Japan, hätte nach US-Schätzungen allein auf Seitender Alliierten bis zu 110 000 Leben gekostet.

Befürworter des Abwurfs argumentieren, dass die Bombe die direkteFolge der japanischen Aggression sei, nachdem das Kaiserreich ganzOstasien überrannt hatte. Vor allem habe mit den Opfern vonHiroschima und Nagasaki das Leben Hunderttausender, auchamerikanischer Soldaten, bewahrt werden können. Und James Byrnes,Außenminister der USA während die B-29 am 6. August 1945 die Bombeausklinkte, sprach von einer halben Millionen alliierter Soldaten,die bei einer Fortsetzung des Krieges ihr Leben verloren hätten.

Kritiker wie Alperovitz werfen Byrnes und Präsident Harry Trumanvor, Adressat der Bomben sei weniger Tokio als vielmehr Moskaugewesen. Washington habe eine Drohkulisse aufbauen wollen, um deraggressiven Politik der Russen etwas entgegensetzen zu können. Daszuvor bewusst verhältnismäßig wenig zerstörte Hiroschima sei Opfereiner politischen, keiner militärischen Machtdemonstration gewesen,die mehr als 100 000 Menschen mit dem Leben bezahlten.

Das Atomwaffenmonopol der USA hielt nur vier Jahre. Es folgte einWettrüsten, dass erst vierzig Jahre später etwas von seinem Schreckenverlor. Die Historikerdiskussion, ob der Atombombenabwurf einemilitärische Glanzleistung oder ein Kriegsverbrechen war, gehthingegen unvermindert weiter. Die Briefmarke wurde nach demProteststurm zurückgezogen.