Steuerbetrug Steuerbetrug: Wahlkampf mit Hoeneß

Berlin/MZ - Horst Seehofer sah sich am Mittwoch zu einer Klarstellung veranlasst. „Steuersünder werden in Bayern genauso nachhaltig verfolgt wie anderswo“, sagte der bayerische Ministerpräsident in München. „Ich pflege Partnerschaften, aber bei mir gibt es keine Kumpanei.“ Zuvor war bekannt geworden, dass gegen den Präsidenten des FC Bayern München, der bekanntlich Uli Hoeneß heißt, ein Haftbefehl vorliegt, der gegen Zahlung einer Kaution von fünf Millionen Euro außer Vollzug gesetzt wurde. Eine halbe Woche nach Bekanntwerden der Steuerhinterziehung des 61-Jährigen ist die ganze Angelegenheit jedenfalls politischer denn je.
„Oberschichtenkriminalität“
Dies zeigte sich im nordrhein-westfälischen Landtag, wo sich Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) in seiner Ablehnung des Schweizer Steuerabkommens bestätigt sah. Das Abkommen hätte dazu geführt, dass Inhaber Schweizer Schwarz-Konten ihr dortiges Vermögen mit bis zu 41 Prozent hätten versteuern müssen - um im Gegenzug Straffreiheit zu erlangen. Hoeneß habe mit seinem langen Zögern das wahre Motiv entlarvt, das diesem Abkommen zugrunde lag, sagte der Minister - sicher zu stellen, dass millionenschwere Steuerbetrüger sich unerkannt gegen eine Ablass-Summe reinwaschen könnten. Der Fall Hoeneß wird in NRW deshalb so aufmerksam verfolgt, weil sie dort gern CDs mit den Daten ausländischer Steuersünder aufkaufen.
Der Fall Hoeneß war auch Thema im Bundestag, wo die Opposition eine Aktuelle Stunde beantragt hatte. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, erklärte: „Normale Leute zahlen Steuern, bevor sie ihren Lohnzettel gesehen haben.“ Sie hätten überhaupt nicht die Möglichkeit zu jener Art „Oberschichtenkriminalität“, wie sie bei Hoeneß zu Buche schlage. Der schwarz-gelben Koalition warf Oppermann Kumpanei vor. Sie verhindere durch allzu viel Liberalität, dass Menschen wie der Fußball-Manager bestraft werden könnten. Der bayerische SPD-Vorsitzende Florian Pronold sprach gar von „geistiger Beihilfe“ und „inbrünstiger Fürsorge“ gerade im Freistaat, wo im Herbst ein neuer Landtag gewählt wird und Steuerfahnder knapp sind. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erkannte eine „verlogene Doppelmoral“. Wer 1 000 Omas um jeweils 1 000 Euro erleichtere, der könne nicht mit Straffreiheit rechnen, sagte er. Wer dieselbe Gesamtsumme mit Steuertricks einnehme, allerdings schon.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) widersprach, der Fall Hoeneß sei ein „beklagenswerter Einzelfall, der viele Menschen enttäuscht in diesem Land“. Er ändere nichts an der Richtigkeit der schwarz-gelben Steuerpolitik. CSU-Mittelstandsexperte Hans Michelbach äußerte sich ähnlich. Seiner Ansicht nach hätte das Steuerabkommen mit der Schweiz ermöglicht, Steuersünder auf breiter Front abzukassieren. Nun werde man bloß in Einzelfällen fündig. Dabei relativierte sich das Wort von den Einzelfällen enorm. Denn die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat ermittelt, dass sich seit 2010 rund 47 400 Steuerhinterzieher selbst offenbart haben. Sie zahlten 2,05 Milliarden Euro nach.
Knapp 48 000 Selbstanzeigen
Wie auch immer: Ohne auf Hoeneß im Detail einzugehen, ist er der politischen Linken doch eine willkommene Gelegenheit, tüchtig Wahlkampf zu machen. In Bayern zeigt dies Wirkung, vornehmlich bei der CSU. Da taten sie am Wochenende alles, um sich schützend vor jenen Mann vom Tegernsee zu stellen, der mit den Christsozialen heftig sympathisiert. Der einstige Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sitzt ja gern auf der Bayern-Tribüne. Ein anderer ehemaliger CSU-Chef schimpfte, die Politiker sollten „das Maul halten“.
Jetzt haben sie anscheinend den Eindruck gewonnen, dass es so nicht weiter geht. Seehofer sagte am Mittwoch, der Fall Hoeneß sei schwer wiegend. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) tat kund, man dulde keine Steuerhinterziehung. Die Freundschaft zwischen der Bayern-Partei CSU und dem Boss der Münchner Bayern ist womöglich eine Freundschaft von gestern.