Statistik Statistik: 2006 gab es erneut mehr Sterbefälle als Geburten

Wiesbaden/dpa. - Nach Schätzungen der Statistiker hat Deutschlandim vergangenen Jahr rund 130 000 Einwohner verloren. Bei immer nochmehr als 82 Millionen Menschen scheint das eine eher geringe Zahl zusein - doch warnen Experten schon seit langem vor den gravierendenFolgen des langsamen, aber stetigen Bevölkerungsrückgangs. Seit 2002sinkt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden dieZahl der Menschen, die in Deutschland leben. In den kommendenJahrzehnten wird sich daran wohl auch wenig ändern.
«Die Zahl der potenziellen Mütter wird immer kleiner», sagt JürgenDorbritz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesinstitut fürBevölkerungsforschung in Wiesbaden. Die Geburtenhäufigkeit pro Frauliege zwar mit 1,4 zumindest in Westdeutschland seit den siebzigerJahren auf konstantem Niveau. Insgesamt gebe es aber immer wenigerFrauen - die Folge: Immer weniger Babys kommen zur Welt.
Viele Frauen blieben auch gänzlich kinderlos. So seien etwa vomJahrgang 1966 ein gutes Viertel keine Mütter. Hoffnung auf Änderunggibt es Dorbritz zufolge nur wenig: «Die durchschnittliche Kinderzahlpro Frau dürfte zwar in den nächsten Jahren unverändert bleiben, wasaber auf Grund der rückläufigen Mütterzahlen mit einem weiterenGeburtenrückgang verbunden ist.»
«Der Schlüssel liegt bei den Männern», meint dagegen derBevölkerungsforscher Herwig Birg. Der frühere Leiter des Institutsfür Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik (IBS) der UniversitätBielefeld fordert deshalb unter anderem, dass bei gleicherberuflicher Qualifikation wie Kinderlose Mütter und auch Väterbevorzugt eingestellt werden. Diese familienpolitische Maßnahme hättezudem einen weiteren Vorteil: «Es würde nichts kosten.»
Dass die Zahl der Geburten die Todesfälle in Deutschland nichtmehr ausgleichen kann, ist kein neues Phänomen. Erstmals wurde 1972hier zu Lande ein Geburtendefizit festgestellt. 30 Jahre lang konntedieses Minus aber mit Zuwanderung mehr als ausgeglichen werden - dasist aber seit 2002 anders. 2006 konnte die Kluft zwischen Todesfällenund Geburten mit Zuwanderern sogar noch weniger verringert werden alsin den Vorjahren. Die Statistiker der Bundesbehörde in Wiesbadengehen nur noch von einem «Wanderungsgewinn» - sprich: mehr Zu- alsAbwanderer - von 20 000 bis 30 000 Menschen aus. 2005 lag dieser nochbei etwa 79 000.
Eine verstärkte Zuwanderung stellt Birg zufolge aber auch keinAllheilmittel dar. Wenn vor allem geringer Qualifizierteeinwanderten, drücke dies langfristig die volkswirtschaftlicheProduktivität, da die Menschen auf Grund der geringeren Qualifikationweniger verdienten. Als Ausweg aus dem Dilemma sieht Birgbeispielsweise eine Qualifizierungsoffensive vor allem für Migrantenin Deutschland. Zudem müssten ältere Menschen länger arbeiten, wiedies ohnehin schon geplant sei.
Doch selbst wenn auch die Zahl der Geburten kurzfristig rapidenach oben schnellen würde, die Auswirkungen wären erst in fernerZukunft spürbar. «Man muss jetzt anfangen, damit man nach 2050 Erfolghat», erklärt Bevölkerungsforscher Birg.
