Städtebauförderung Städtebauförderung: «Wasserschlauch statt Gießkanne»
Berlin/MZ. - Gegen Ende der Debatte zog Moderator Jens Schneider ("Süddeutsche Zeitung") ein kurioses Fazit. Die versammelten Politiker aus Ost und West seien sich einig über die Mittel zur Verbesserung der Verhältnisse - nicht aber über die Verhältnisse selbst.
In der Berliner Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen diskutierten sie darüber, wie es mit der Städtebauförderung in beiden Landesteilen weitergehen soll: NRW-Vize-Ministerpräsident Michael Vesper (Grüne), Gelsenkirchens CDU-Oberbürgermeister Oliver Wittke, seine hallesche Amtskollegin Ingrid Häußler (SPD), der Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, sowie die sächsische Bundestagsabgeordnete Antje Hermenau (Grüne). Streit gab es nicht - jedoch Einvernehmen über zunehmend gemeinsame Probleme.
Wie groß das Ost-West-Gefälle ist, darüber gingen die Ansichten auseinander. Wittke schilderte, Gelsenkirchen habe eine Arbeitslosenquote von 17,9 Prozent und 20 000 Sozialhilfeempfänger; zahlreiche Einwohner wanderten ins Umland ab. Der CDU-Mann warnte vor einem sich ausbreitenden "Kommunaldarwinismus". Häußler erwiderte: Halle habe seit 1990 rund 80 000 Einwohner verloren. Die Stadt könne nur 30 Prozent der Ausgaben durch Einnahmen decken; in Weststädten betrage der Anteil 60 Prozent.
"Wir müssen Geld ausgeben für die Vernichtung von Infrastruktur." Bullerjahn setzte hinzu: "Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass die Menschen nicht mehr da sind." Um es krass zu sagen: Hier konkurrierte Not mit Elend.
Bemerkenswert war, dass man sich an dem negativen Wettbewerb nicht festbiss. Und dass Konsens herrschte über die Folgen. Wittke befand: "Die Forderung muss lauten: Wasserschlauch statt Gießkanne." Häußler pflichtete bei: "Man muss die Förderung konzentrieren; es geht nicht anders." Bullerjahn wurde konkret: Man könne in Sachsen-Anhalt nicht mehr all jene Ortsumgehungen bauen, die man habe bauen wollen. Auch die Hochschulstruktur müsse man der Lage anpassen. Im Gegenzug erwarte man Unterstützung für das Nötige.
Eine Unstimmigkeit bestand auf westdeutscher Seite. Vesper möchte nicht allein die Förderpolitik konzentrieren, sondern Abstand nehmen von dem Verfassungsgebot nach Angleichung der Lebensverhältnisse. Wittke will "an dem Anspruch festhalten" - wissend, dass die Realität dem nie gerecht werde. Der grüne Hausherr nannte die Diskussion abschließend "ermutigend". Schneider sprach über den "Abschied von allen Illusionen". Dieser schmerzhafte Abschied scheint Gemeinsamkeit zu stiften.