Streit um Trojaner-Software Staatstrojaner: "Der Staat kann künftig seine Bürger ausspionieren"

Berlin - Die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses war am Donnerstag wenig begeistert. Und die Kritik der Grünen-Politikerin Renate Künast richtete sich sowohl gegen das Verfahren als auch gegen dessen Inhalt. „Der Staat kann künftig dauerhaft seine Bürger ausspähen“, sagte sie dieser Zeitung. Dabei handele es sich „um schwerste Grundrechtseingriffe, die nahezu ohne öffentliche Debatte in die Strafprozessordnung aufgenommen werden“.
Die Gesetzesänderung, von der Künast spricht und die am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet wurde, erlaubt es Sicherheitsbehörden nämlich fortan, eine Spionagesoftware auf alle möglichen Computer aufzuspielen: auf fest installierte Rechner ebenso wie auf Laptops, Handys und Tablets. Diese Software – „Staatstrojaner“ genannt – kann dann nicht allein die Kommunikation auslesen, also E-Mails, SMS, Whatsapp-Nachrichten. Staatstrojaner, einmal installiert, können dann sämtliche auf den Rechnern vorhandenen Daten ins Visier nehmen. Dies ist eine neue Qualität, die aus drei Gründen Unmut auslöst.
Staatstrojaner kommt Hausdurchsuchung nahe
Da geht es zunächst um das Auslesen der Geräte selbst. Handys oder iPads geben heute in der Regel einen viel umfassenderen Aufschluss über das Leben eines Menschen, als ein Tagebuch es je konnte. Aufenthaltsort, Kontakt-Personen, Kommunikation, gern besuchte Internetseiten, Fotos – all diese Informationen halten die kleinen Computer bereit. Die Installation eines Staatstrojaners kommt der Erlaubnis zur Hausdurchsuchung äußerst nahe.
Überdies können die Sicherheitsbehörden die Software zwar fortan auch nicht immer und nicht ohne richterliche Genehmigung nutzen. Die Delikte, bei denen dies möglich sein soll, gehen aber über Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag oder Terrorakte weit hinaus. Dazu zählen nun auch Bestechlichkeit, Geldfälschung oder Asylvergehen.
Messenger-Dienste können Behörden keine Inhalte herausgeben
„Die herkömmliche Telekommunikationsüberwachung ist in unserer digitalen Welt an ihre Grenzen gestoßen, seitdem die Täter verschlüsselte Messenger-Dienste nutzen und über Telefon allenfalls noch Pizza bestellen“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker gestern. Es ergebe keinen Sinn, wenn Strafverfolger nur Ermittlungsmethoden einsetzen könnten, „die am Täterverhalten völlig vorbei gehen“. Darum müsse es möglich sein, Kommunikation über Dienste wie WhatsApp oder Skype auf den Geräten der Verdächtigen abzugreifen, bevor sie verschlüsselt oder nachdem sie entschlüsselt wird.
Der Schritt gilt als Antwort darauf, dass im Gegensatz zur herkömmlichen SMS zahlreiche Messenger-Dienste inzwischen so verschlüsselt sind, dass die Anbieter den Behörden keine Inhalte herausgeben können.
Trojaner technisch nicht nur auf Kommunikation begrenzbar
Künast hält dagegen: „Der Trojaner ist technisch gar nicht auf die Kommunikation begrenzbar. Andere Behauptungen der Großen Koalition treffen nicht zu. Bürger müssen außerdem damit rechnen, schon bei kleineren Delikten betroffen zu sein.“ Bei einer Anhörung zu dem Gesetz hatten Sachverständige vor Datenschutz-Risiken gewarnt. Das Bundesverfassungsgericht hatte vom Bundeskriminalamt eingesetzte Staatstrojaner bloß bei konkreten Terrorgefahren als akzeptabel angesehen. Verfassungsklagen scheinen daher aussichtsreich.
Für Streit sorgt schließlich das Verfahren. Die Erlaubnis zur so genannten Quellen-TKÜ (also der Überwachung der Kommunikation an der Quelle) und der noch weiter reichenden Online-Durchsuchung wird nicht in einem eigenen Gesetz gegeben, sondern in einem anderen Gesetz versteckt.
Verantwortung bei Innen- und Justizminister
Darin geht es unter anderem um den Verlust des Führerscheins bei Delikten, die gar nicht im Straßenverkehr begangen werden. Zwar hat etwa Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zuletzt immer wieder von der Notwendigkeit erweiterter Instrumente gesprochen, dies aber allein im Kontext des Terrorismus, nicht im Kontext allgemeiner Kriminalität.
Renate Künast sieht die Verantwortung indes nicht nur beim Innen-, sondern auch beim Justizminister von der SPD. „Das Ganze“, sagt sie, „wirft auch ein schlechtes Licht auf Heiko Maas.“