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SPD-Bundesparteitag 2015 SPD-Bundesparteitag 2015: Wenn die Genossen nicht mit der Zeit gehen

Von Karl Doemens 08.12.2015, 09:00
Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles (SPD).
Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles (SPD). dpa Lizenz

Berlin - Die Genossen aus Olbernhau geben nicht auf. Seit langem schon geht den wackeren Erzgebirglern die Umstellung der Uhren im Sommer auf den Zeiger. „Insbesondere junge und alte Menschen werden durch die zweimalige Zeitumstellung im Jahr belastet. Schichtarbeiter leiden durch die jeweilige Zeitumstellung überdurchschnittlich häufig unter Stoffwechselstörungen und Herz-Kreislauf-Krankheiten“, argumentierte der Ortsverein bereits auf dem letzten SPD-Bundesparteitag. Wenn die Sozialdemokraten von Donnerstag an zu ihrem dreitägigen Bundesparteitag in Berlin zusammenkommen, werden die Sachsen erneut die Abschaffung der Sommerzeit fordern. Große Erfolgsaussichten haben sie freilich nicht. Die Antragskommission empfiehlt die Ablehnung des Ansinnens.

Wiederwahl Gabriels im Mittelpunkt

Rund 850 Seiten dick ist das Buch, das sämtliche Anträge der Parteigliederungen zu dem großen SPD-Treffen bündelt. Nach dem Willen der Spitzengenossen sollen die Rede und die Wiederwahl von Parteichef Sigmar Gabriel im Mittelpunkt stehen. Ein gutes Ergebnis möglichst über jenen 84 Prozent, die Gabriel beim letzten Parteitag in Leipzig holte, wäre ein deutliches Signal der Geschlossenheit – vor allem an die Adresse der CDU, die gerade mit ihrer Vorsitzenden Angela Merkel hadert und ein paar Tage später in Karlsruhe zusammenkommt. Außerdem muss auf dem Parteitag eine Nachfolgerin für die scheidende Generalsekretärin Yasmin Fahimi gewählt werden. Die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Katarina Barley ist einzige Kandidatin.

Der erste Tag des Konvents dürfte ganz im Zeichen der aktuellen Flüchtlingskrise stehen. Der Vorstand will einen umfangreichen Leitantrag vorlegen, der vor allem die Aufgaben der Integration betont. Das ist mehrheitsfähig. Internen Streit gibt es aber über die konkrete Politik der Bundesregierung. So fordert etwa der Unterbezirk Aachen die Abschaffung der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, in die leichter abgeschoben werden kann. Andere Gliederungen verlangen, das Dublin-Abkommen, demzufolge der EU-Staat für den Flüchtling verantwortlich ist, der ihn als erster registriert, offiziell aufzukündigen oder den Familiennachzug auszuweiten. Den Militäreinsatz in Syrien hat der Bundestag erst in der vergangenen Woche beschlossen. Entsprechend liegen hierzu erst wenige Anträge vor. So fordert etwa der Bezirk Hessen-Nord eine Verurteilung der Militärintervention. Es wird mit einer ziemlich kontroversen Debatte über die deutsche Beteiligung gerechnet.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche weiteren Themen auf der Agenda des SPD-Bundesparteitags stehen.

Migration dominierendes Thema

Mit 125 Anträgen ist das Kapitel Innen- und Rechtspolitik, zu dem auch die Migration gehört, erkennbar das dominierende Thema des Parteitags. Viele Anträge gibt es jedoch auch zur Sozialpolitik. So möchte der Bezirk Hessen Süd statt des Mindestlohns von 8,50 Euro in der Stunde eine großzügige gesetzliche Lohnuntergrenze von 2100 Euro im Monat verankern. Der Landesverband Berlin fordert von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die Ausnahmen für Langzeitarbeitslose vom Mindestlohn zurückzunehmen. Hessen-Nord verlangt, dass auch Praktikanten mindestens 8,50 Euro erhalten müssen.

Das von der Parteispitze gesetzte Thema Frauen und Familien stößt an der Basis hingegen bislang auf eher verhaltenes Interesse. Gerade einmal 20 Anträge hierzu liegen vor. Im weiteren Sinne könnte man freilich auch den Antrag der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) hinzuzählen, die künftig paritätisch besetzte Doppelspitzen ermöglichen will. Zunächst hatte Parteichef Sigmar Gabriel für den Vorstoß Sympathie geäußert. Nach einer Reihe kritischer Rückmeldungen unter anderem aus Nordrhein-Westfalen und Hamburg empfiehlt die Antragskommission nun aber die Ablehnung des Begehrens. Die Debatte könnte emotional werden.

TTIP voraussichtlich strittigstes Thema

Das wohl strittigste Thema hat die Parteiregie ganz ans Ende der Veranstaltung geschoben. Erst am Samstagmittag, kurz bevor traditionell der Wilhelm-Dröscher-Preis verliehen wird und die Delegierten zu ihren Zügen und Flugzeugen eilen müssen, soll über die Freihandelsabkommen CETA und TTIP diskutiert werden. Die Stimmung an der Basis ist extrem kritisch. Mehrere Anträge fordern einen kompletten Stopp selbst der Verhandlungen. Das würde Parteichef Gabriel als Wirtschaftsminister in extreme Schwierigkeiten bringen.

Der SPD-Vorstand beschloss vor einer Woche einen ziemlich weich formulierten Antrag („Globalisierung gestalten – fairen Handel ermöglichen“), der auch die Vorteile des weltweiten Warenaustauschs betont. „Der Vorstand formuliert keine roten Linien, sondern fromme Wünsche. Das reicht nicht“, protestierte daraufhin Klaus Barthel, der Chef der Arbeitnehmerorganisation Afa, in der tageszeitung (taz). Nun wird noch einmal an dem Antrag gefeilt. Um den Delegierten eine Ablehnung zu erschweren, hat sich die Parteispitze ein besonderes Schmankerl ausgedacht: Eingebracht wird der offizielle Antrag ausgerechnet von Parteivize Ralf Stegner – dem prominentesten Vertreter des linken Flügels.