SPD SPD: Beck möchte den Fall Clement abheften

Berlin/dpa. - Die SPD wird trotz massiven Unmuts über den Querschuss von Wolfgang Clement im Endspurt des hessischen Wahlkampfs voraussichtlich auf ein Parteiausschlussverfahren gegen ihren Ex-Vizevorsitzenden verzichten. Dies machte SPD-Chef Kurt Beck am Montag nach einer Sitzung der Parteispitze in Frankfurt am Main deutlich. SPD-Fraktionschef Peter Struck, der noch am Sonntag mit einem Ausschluss des früheren Bundeswirtschaftsminister gedroht hatte, forderte ihn nun wie andere führende Genossen auf, die Partei von sich aus zu verlassen. In der Schlussphase des hessischen Wahlkampfesverstärkte die CDU-Spitze ihre Attacken gegen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti, die laut Umfragen Ministerpräsident Roland Koch (CDU) das Regierungsamt streitig machen könnte.
Eine Woche vor der Landtagswahl in Hessen am kommenden Sonntag(27. Januar) hatte Clement, der im Aufsichtsrat der RWE-Kraftwerkstochter RWE Power AG sitzt, seine Parteikollegin Ypsilantiwegen ihrer Anti-Atom- und Anti-Kohlepolitik gerügt und indirekt vonihrer Wahl abgeraten.
Parteichef Beck sagte: «Da hat der Lobbyist eines großenStromkonzerns gesprochen.» Er fügte hinzu: «Wir haben das zurKenntnis genommen, eingeordnet und abgeheftet.» Clement wies denLobbyismus-Vorwurf zurück. «Ich habe meine Äußerungen nach Abwägungder Interessen des Landes und der Partei formuliert», sagte er dem«Kölner Stadt-Anzeiger» (Dienstag). Er sei von Arbeitnehmer- undArbeitgebervertretern einstimmig zum neutralenAufsichtsratsvorsitzenden von RWE Power gewählt worden. Gegen einParteiordnungsverfahren hätte er nichts einzuwenden.
SPD-Fraktionschef Struck sagte im ARD-«Morgenmagazin»: «Es wäreganz gut, wenn er von sich aus gehen würde.» Der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident habe sich «eindeutig parteischädigend»verhalten. Es sei «absolut unanständig, der eigenen Partei so in denRücken zu fallen». Außenminister und SPD-Vize Frank-Walter Steinmeieräußerte in der «Süddeutschen Zeitung» (Montag) Unverständnis überClement: «Er hat selbst schwierige Wahlkämpfe hinter sich und weiß,wie schädlich und unsolidarisch dieser Zuruf von außen ist.» EinenParteiaustritt oder -ausschluss verlangte er allerdings nicht.
Scharfe Kritik erntete Clement auch aus seinem nordrhein-westfälischen Landesverband. Die Landesvorsitzende Hannelore Kraftwarf ihm ein «übles Foul» gegen Ypsilanti vor, die in Hessen einenhervorragenden Wahlkampf mache. Kraft will Clement zur Rede stellen,bestätigte Parteisprecher Dirk Borhart eine Meldung der «Bild»-Zeitung. Das Gespräch sei allerdings noch nicht terminiert. Dergebürtige Bochumer Clement gehört dem mitgliederstärkstenLandesverband NRW seit 1970 an.
Nach einer Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums sagteGeneralsekretär Ronald Pofalla in Berlin: «Wolfgang Clement ist dererste Mutige, der die Wahrheit ausspricht.» Die Vorstellungen vonYpsilanti gingen an die Substanz Hessens und gefährdetenArbeitsplätze. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU)erklärte in München, Clement habe Recht mit seiner Warnung vordrohenden Engpässen bei der Energieversorgung. Wenn die SPD sowohllängere Restlaufzeiten für Kernkraftwerke als auch neueKohlekraftwerke ablehne, müsse sie sagen, wie sie sich einezuverlässige und bezahlbare Energieversorgung vorstelle.
SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz warf Clement im BayerischenRundfunk mangelnde Loyalität vor: «Es kann nicht sein, dass einMensch, der vieles seiner Partei verdankt, bei der erstbestenGelegenheit gleichsam Wahlkampf für andere macht. Dann sollte er sichbesser anders orientieren.» Nach anderen SPD-Landesvorsitzendenforderte auch Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie Clement zumVerlassen der Partei auf. Wer so unverhohlen die Profitinteresseneines Unternehmens wie RWE vertrete, könne nicht Mitglied der SPDsein, sagte er der «Thüringer Allgemeinen».
Grünen-Parteichefin Claudia Roth sprach in Berlin von einem «sehrtiefen Fall eines Lobbyisten». Nach Ansicht von Grünen-Chef ReinhardBütikofer zeigt der Querschuss von Clement die Nervosität der Atom-und Kohlelobby angesichts eines möglichen Machtwechsels in Hessen.FDP-Parteichef Guido Westerwelle bot Clement erneut die Aufnahme beiden Freien Demokraten an: «Jeder verfolgte Anhänger der sozialenMarktwirtschaft hat bei der FDP Asyl.»