SPD-Abstimmung SPD-Abstimmung zur großen Koalition: Union atmet kollektiv auf - GroKo-Konflikte sind programmiert

Berlin - Durch die Union geht am Sonntag ein erleichtertes Aufseufzen. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier spricht von einem „guten Tag für die Menschen in Deutschland“. Seine Co-Vorsitzende Julia Klöckner erklärt, die SPD-Entscheidung sei „das einzig Richtige und Verantwortungsvolle“. CSU-Chef Horst Seehofer, der sich außerdem ja gerade wirklich und angeblich endgültig entschlossen hat, Bundesinnenminister werden zu wollen, verkündet: „Es gibt jetzt alle Chancen für die weitere Erneuerung Deutschlands.“
Der gewichtigste Seufzer kommt von CDU-Chefin Angela Merkel: Sie gratuliere der SPD „zu diesem klaren Ergebnis“, lässt sie die Parteizentrale nicht sofort, aber doch bald nach der Verkündung des Ergebnisses twittern. Sie fügt hinzu, sie freue sich „auf weitere Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes“. Das Ja der SPD-Mitglieder zu einem Regierungseintritt ist auch ein Erfolg für sie selbst: Ihr Ziel sei es „eine stabile Regierung“ zu bilden, hat Merkel seit der Bundestagswahl wieder und wieder erklärt. Die Regierung hat sie nun zumindest schon mal zusammen. Ob es eine stabile Regierung wird, wird sich noch herausstellen.
Ziele festgelegt, der Weg nicht
Es gibt einen Koalitionsvertrag mit 177 Seiten, in dem vieles sehr präzise festgelegt ist. Aber an nicht wenigen Punkten sind nur Ziele formuliert, die genauen Schritte dahin aber offengelassen. Das gilt etwa für die längerfristige Rentenentwicklung oder für die Krisenabsicherung der Kommunen. Hier sollen Kommissionen Empfehlungen abgeben – aber über solche Empfehlungen lässt sich dann auch wieder streiten.
Am spannendsten dürfte es bei den Themen werden, die derzeit noch niemand auf dem Plan hat: Die folgenschwersten Entscheidungen der vergangenen Jahre waren in keinem der jeweils geltenden Koalitionsverträge vorbereitet. Der Ausstieg aus der Atomenergie wurde nach der von einem Tsunami ausgelösten Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima beschlossen. Die Abschaffung der Wehrpflicht hatte auch finanzielle Hintergründe. Die Finanzkrise brach über die erste große Koalition von Angela Merkel herein. In der letzten Wahlperiode führten der Syrienkrieg und überfüllte Flüchtlingslager in der Region dazu, dass sich Hunderttausende Flüchtlinge nach Europa aufmachten.
„Das wird unglaublich kompliziert“
In der Union gibt es unterschiedliche Prognosen, wie die nächste Groko Konflikte und neue Themen bewältigen wird. „Das wird unglaublich kompliziert“, sagt ein Bundestagsabgeordneter. Er verweist auf die jüngste Debatte um das Werbeverbot für Abtreibungen. Die SPD will die entsprechende Abstimmung im Bundestag frei geben. „Das werden wir jetzt ständig haben“, befürchtet der Unions-Mann, der Mitglied des Fraktionsvorstands ist. Er hat auf ein Nein der SPD gesetzt und für diesen Fall angekündigt: „Dann mache ich eine Flasche Sekt auf.“ Die Flasche bleibt nun zu.
Optimismus verbreiten die führenden Parteileute: „Wir werden in den nächsten Jahren die Kraft haben, richtig auf Unvorhergesehenes zu reagieren“, sagt etwa Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Er begründet das so: „Wir kennen uns ja.“ Das ist sicher richtig, allerdings stehen die, die die Union bei der SPD so kennt, unter weit höherem Druck als in den Regierungsbündnissen der Vergangenheit. Die Entscheidung für die große Koalition sei nicht aus Überzeugung erfolgt, sondern aus Notwendigkeit, so hat es die SPD-Vize-Chefin Malu Dreyer formuliert. Wer nicht überzeugt ist, ist in der Regel auch konfliktfreudiger.
Die CSU und die Angst vor der Landtagswahl
Und auch in der CDU gibt es das Bedürfnis, in der nächsten Regierung als Partei „erkennbarer“ zu sein als bisher. Hier müssen sich die potenziellen Nachfolger Merkels profilieren: die neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und der etwas weniger aussichtsreichere designierte Gesundheitsminister Jens Spahn.
Der CSU braucht man das Trommeln in eigener Sache ohnehin nicht zu sagen. Sie praktiziert es seit eh und je nach Kräften. Vor der bayerischen Landtagswahl im Oktober dürfte der Drang noch etwas stärker werden. Zwar sind die Umfragewerte der CSU wieder angestiegen, aber die Angst, die absolute Mehrheit in Bayern zu verlieren, ist noch vorhanden. Der neue Spitzenkandidat Markus Söder muss sich profilieren, und geschmeidige Kompromissbereitschaft gehört nicht zum üblichen Instrumentenkasten der CSU.
Den Auftritt vor den Kameras überließ die Kanzlerin am Sonntag der SPD, was vermutlich nicht nur Freundlichkeit gegenüber dem alten und neuen Regierungspartner geschuldet war, sondern auch einem gewissen Wochenend-Ruhebedürfnis . Der bisherige Kanzleramtsminister und designierte Wirtschaftsminister Peter Altmaier verbreitete via Twitter stellvertretend Tatendrang: „An die Arbeit.“