SPD-Abgeordnete gegen Ypsilantis Plan
Wiesbaden/Berlin/dpa. - Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti muss um die Geschlossenheit ihrer Fraktion auf dem Weg zu einer Regierungsmehrheit kämpfen. Für heute ist nach Medienberichten ein Gespräch Ypsilantis mit ihrer Kritikerin Dagmar Metzger in Wiesbaden geplant.
Die SPD-Abgeordnete aus Darmstadt hat Widerstand gegen Ypsilantis Plan angekündigt, eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Stimmen der Linken an die Macht zu bringen. Die Grünen schlugen deshalb vor, den für Freitag geplanten Beginn von Koalitionsverhandlungen auf Montag zu verschieben. Auch auf bundespolitischer Ebene geht die Diskussion um die Regierungsbildung in Hessen weiter.
Ypsilanti rechnete bislang mit 57 Stimmen von Sozialdemokraten, Grünen und Linken bei 110 Mandaten im Landtag. Ohne Metzger schrumpft die Mehrheit auf 56 Stimmen, nur eine mehr als erforderlich. Zudem ist unsicher, ob ein kranker SPD-Abgeordneter an der Wahl überhaupt teilnehmen kann.
Die grünen Landesvorsitzenden Tarek Al-Wazir und Kordula Schulz- Asche schrieben am Donnerstagabend in einem Brief an Ypsilanti, sie seien weiter zu einer rot-grünen Regierung mit ihr als Ministerpräsidentin bereit. «Allerdings müssen wir uns darauf verlassen können, dass auch alle 42 Abgeordneten der SPD-Fraktion das so sehen.» Vor einer Klärung seien Gespräche nicht sinnvoll.
Die SPD-Abgeordnete Metzger habe ihre Entscheidung der Parteivorsitzenden bereits mitgeteilt und wolle ihr das an diesem Freitag auch persönlich sagen, berichtete die «Süddeutsche Zeitung». Das «Darmstädter Echo» schrieb unter Berufung auf Metzgers Schwiegervater, den früheren Darmstädter Oberbürgermeister Günther Metzger (SPD), die Abgeordnete habe Ypsilanti telefonisch aus ihrem Urlaubsort informiert. Ypsilanti habe die Abgeordnete für Freitag (9.00 Uhr) zu einem Gespräch gebeten. Metzger habe zugesagt und ihren Urlaub abgebrochen.
Die neu gewählte Abgeordnete Metzger wollte der «Süddeutschen» zufolge bereits vor eineinhalb Wochen erklären, dass sie wegen der Pläne zur Tolerierung durch die Linke bei der konstituierenden Sitzung am 5. April nicht für Ypsilanti stimmen werde. Andere Abgeordnete hätten sie davon abgehalten. Bei einer späteren Sitzung, als Ypsilanti nach Stimmen gegen eine von den Linken tolerierte rot- grüne Minderheitsregierung gefragt habe, sei Metzger im Urlaub gewesen. Im Wahlkampf und in den ersten Wochen danach hatte Ypsilanti eine Duldung durch die Linke noch strikt ausgeschlossen.
Die FDP setzt auf ein Scheitern der SPD-Landesvorsitzenden bei der Ministerpräsidentenwahl und sieht danach Chancen für eine Jamaika- Koalition mit CDU und Grünen. Wenn sich diese Möglichkeit ergebe, sollte der amtierende Ministerpräsident Roland Koch (CDU) «Architekt» des schwarz-gelb-grünen Bündnisses sein, sagte Parteichef Jörg-Uwe Hahn. Er wollte nicht kommentieren, ob er mit «Architekt» auch Regierungschef meint.
Die Chefin der Bundestagsfraktion der Grünen, Renate Künast, forderte beide Parteien in Hessen auf, «Klarheit in den eigenen Reihen zu schaffen». Der «Leipziger Volkszeitung» (Freitag) sagte sie: «Niemand kann jetzt einfach zur Tagesordnung übergehen.» Vertreter der SPD-Konservativen sprachen sich erneut gegen ein von den Linken abhängiges Bündnis in Hessen aus. Dagegen warnte der linke Parteiflügel vor voreiligen Schlüssen.
Die «Berliner Zeitung» (Freitag) berichtete unter Berufung auf einen SPD-Sprecher, dass ein weiterer SPD-Abgeordneter, dessen Teilnahme an der Wahl im Landtag wegen einer Erkrankung unklar war, zu der Sitzung am 5. April erscheinen wird.
Auch aus anderen Gründen ist das von den Linken geduldete rot- grüne Bündnis noch nicht gesichert. Die Linke erklärte es zeitlich für «nicht mehr möglich«, bis zum 5. April inhaltliche Vereinbarungen zu treffen, wie es SPD-Landesvize Jürgen Walter gefordert hatte. Über Eckpunkte sei zuvor ein Mitgliederentscheid der Partei nötig, sagte Linken-Landeschef Ulrich Wilken der «Frankfurter Rundschau» (Freitag).
Der Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD, Johannes Kahrs, sagte der Münchner «Abendzeitung» (Freitag), die SPD habe «ein Problem Ypsilanti». Der andere Sprecher der Seeheimer, Klaas Hübner, ermahnte im Berliner «Tagesspiegel» (Freitag) die hessischen Genossen, einzusehen, dass ihr Kurs zu riskant sei. Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) sagte derselben Zeitung: «Eine Zusammenarbeit mit der Linken in Hessen wäre eine eklatanter Fehler, weil sie unsere Glaubwürdigkeit im Bundestagswahlkampf massiv beschädigen würde.»
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, selbst Kopf eines rot-roten Bündnisses, ließ mit Blick auf Hessen leise Skepsis anklingen: «Für die Regierungsarbeit braucht es Verlässlichkeit, da hat man wenig Erfahrung mit den West-Linken.» Zugleich warnte er in der «Frankfurter Rundschau» aber erneut vor einer Tabuisierung der Linken.
Der Sprecher des linken SPD-Flügels Björn Böhning riet Ypsilanti im «Tagesspiegel», nicht aufzugeben: «Ich halte nichts davon, die Flinte ins Korn zu werfen, bevor das Korn überhaupt gesät ist.»