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Spanien Spanien: Adolfo Suárez hat sein Gedächtnis verloren

Von Hubert Kahl 07.06.2005, 06:20
Der ehemalige spanische Ministerpräsident Adolfo Suarez (Archivbild vom 03.11.1977). (Foto: dpa)
Der ehemalige spanische Ministerpräsident Adolfo Suarez (Archivbild vom 03.11.1977). (Foto: dpa) dpa

Madrid/dpa. - Ein sportlicher und eleganter Mann mit scharfemBlick und akkurat frisierten Haaren - so haben die Spanier ihren Ex-Ministerpräsidenten Adolfo Suárez in Erinnerung. Aber der «Vater derspanischen Demokratie» ist seit Jahren in der Öffentlichkeit nichtmehr in Erscheinung getreten. Nun wissen die Spanier weshalb: Der 72-jährige Suárez ist schwer krank. Er leidet an einer degenerativenHirnkrankheit und hat sein Gedächtnis verloren.

Der Mann, der Spanien nach dem Tod des Diktators Francisco Francozu einem friedlichen Übergang zur Demokratie verhalf, weiß nichtmehr, dass er einmal Regierungschef war. Eingeweihte Journalistenwahrten monatelang einen «Pakt des Schweigens» und verheimlichten dieKrankheit von Suárez - aus Respekt vor dessen Persönlichkeit. EineBiografie von José García Abad unter dem Titel «Adolfo Suárez - Einegriechische Tragödie» enthüllte das Geheimnis.

Auch die Familie sprach nun erstmals öffentlich von der Krankheit.Der Sohn Adolfo Suárez Illana sagte in einer Talkshow: «Mein Vaterhat lange versucht, sein Leiden zu verbergen, weil er uns Ärgerersparen wollte und weil er sehr eitel ist.» Um welche Krankheit essich genau handelt, wissen die Ärzte nicht. «Es kann Alzheimer sein,aber auch eine andere Form von Altersdemenz», sagte der HausarztCarlos Revilla Rodriguez dem Magazin «Tiempo».

Der Ex-Regierungschef (1976-1981) erkennt selbst Verwandte undgute Bekannte nicht mehr. Häufig bittet er, wie García Abad in derBiografie berichtet, darum, ihn am Telefon mit «Manolo» zu verbinden.Mit Manolo meint er seinen früheren Vize Manuel Gutiérrez Mellado -aber der ist seit fast zwölf Jahren tot.

Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Suárez vor gut zweiJahren, als er seinen Sohn im Wahlkampf unterstützen wollte. Schondamals waren Anzeichen der Krankheit unverkennbar. Der Ex-Regierungschef kam in einer Rede mit seinen Zetteln durcheinander undlas von einem Blatt vor, das er bereits vorgetragen hatte. Nachkurzem Schweigen räumte er ein: «Da habe ich mich wohl verheddert.»

Suárez erlebte einen kometenhaften Aufstieg, als König Juan Carlos1976 den damals weitgehend unbekannten 43-Jährigen zumMinisterpräsidenten ernannte. Sechs Jahre später folgte der rapideSturz. Suárez trat 1981 vor dem Hintergrund von Putschgerüchtenzurück, seine Partei, die Demokratische Zentrumsunion (UCD),verschwand von der Bildfläche, Versuche eines Comebacks scheiterten.

In seinem privaten Leben erlitt Suárez schwere Schicksalsschläge.2001 starb seine Frau Amparo an Krebs, drei Jahre später auch dieälteste Tochter Mariam, die der Ex-Politiker über alles verehrthatte. Dass noch eine weitere Tochter an Krebs erkrankte, diesen abermit Erfolg bekämpfte, dürfte er kaum noch mitbekommen haben.

«Ich bin sicher, dass es mit Suárez bergab ging, als er erfuhr,dass es für Mariam keine Heilung gab», sagt der TheaterdirektorGustavo Pérez Puig, ein Freund der Familie. «Ich mag Adolfo kaum nochbesuchen. Mir ist dann zum Weinen. Was für eine Stärke, eine Energieund eine Liebe dieser Mann ausgestrahlt hatte! Jetzt ist er nichtmehr er selbst und erkennt niemanden.»