Sozialstaat Sozialstaat: Arbeitslose klagen gegen Kirchensteuer-Abzug
Chemnitz/dpa. - Das Sozialgericht in Chemnitz rechnet mit mehr Klagen von Arbeitslosen gegen einen generellen Abzug der Kirchensteuer. «Das Thema ist bereits ein Dauerbrenner bei uns und nimmt angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage an Bedeutung zu», sagte der Sprecher des Gerichts, Ralf Gieser, am Donnerstag in einem dpa-Gespräch anlässlich der jüngsten Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) in Chemnitz. Danach darf die so genannte fiktive Kirchensteuer generell vom Arbeitslosengeld abgezogen werden. Das LSG hob damit eine anders lautende Entscheidung des Sozialgerichts Chemnitz auf. Dieses hatte zuletzt am Mittwoch den Abzug für unrechtmäßig erklärt.
«Hintergrund des Streits ist, dass die Bundesanstalt für Arbeit jedem Arbeitslosen automatisch Kirchensteuer abzieht», sagte Gieser. Das seien 8 Prozent der Lohnsteuer, zwischen 5 bis 15 Euro monatlich. Im Unterschied zur normalen Kirchensteuer wird die fiktive allerdings nicht an die Kirchen abgeführt, sondern kommt als allgemeiner Abzugsposten dem Staat zugute. «Das Bundesverfassungsgerichts hat 1994 entschieden, dass dies so lange rechtmäßig ist, wie die deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer konfessionell gebunden ist», erklärte der Jurist.
Daran orientieren sich nun die Richter der Sozialgerichte. Vor allen Dingen im Osten führt das Thema laut Gieser zum Streit, weil deutlich weniger Arbeitnehmer als im Westen einer Kirche angehören. «Bei uns sind alle fünf Kammern mit der Thematik befasst und haben im Laufe der Jahre etwa 100 Entscheidungen getroffen», sagte Gieser. In der Regel sei dabei der Abzug nicht beanstandet worden. Die Richter berufen sich dabei auf die letzte vorliegende Statistik von 1999, wonach 57 Prozent aller Arbeitnehmer in einer Kirche waren und damit die von den Karlsruher Richtern geforderte Mehrheit besteht.
«Die 6. Kammer geht jedoch davon aus, dass inzwischen weniger als 55 Prozent der Arbeitnehmer konfessionell gebunden sind und hält den Abzug daher für unrechtmäßig», sagte Gieser. Dabei legten die Richter eigene Hochrechnungen zu Grunde. «Dies hält das LSG für unzulässig. Es fordert eine konkrete Statistik.» Eine höchstrichterliche Entscheidung für die Fälle ab dem Jahr 2000 sei bislang nicht abzusehen, weil eine Revision vor dem Bundessozialgerichts nicht zugelassen wurde. Dies kann laut Gieser nur durch eine Nichtzulassungsbeschwerde erreicht werden.
Eine gerichtliche Entscheidung wird nach Auffassung von Gieser wahrscheinlich ohnehin durch Pläne der Bundesregierung hinfällig. «Nach den Vorstellungen zum Hartz-Konzept soll ab 2005 die Kirchensteuer nicht mehr zu den pauschalen Abzügen gehören», sagte der Jurist.
